[3.7.6] Wie kann ich mich vor Krebs schützen?

Ich hatte Krebs – wie soll ich nun leben?
(Die primäre und die sekundäre Krebsvorbeugung)

Man erlebt es immer wieder in der gynäkologischen Sprechstunde: Frauen bringen ihren Mammografiebefund, der Gott sei Dank in Ordnung ist und keine Auffälligkeit zeigt – fragen aber gleichzeitig, was sie, neben den Vorsorgeuntersuchungen aktiv tun können, um sich vor Krebserkrankungen zu schützen. Maßnahmen und Ratschläge, welche dafür die Medizin anzubieten versucht, werden als „primäre Prävention“ zusammengefasst; es sind Interventionen, die verhindern sollen, dass überhaupt Krebs entsteht.

Über weite Strecken sind es die gleichen Verhaltenmaßregeln, welche auch für die „sekundäre Prävention“ sinnvoll erscheinen. Von „sekundärer Prävention“ wird dann gesprochen, wenn bereits einmal eine Krebserkrankung stattfand und man verhindern möchte, dass sich diese nochmals ereignet.

Weltweit werden jährlich mehr als hundert Millionen neue Krebsfälle diagnostiziert. Dank der großen Fortschritte in der medizinischen Forschung können immer mehr Patienten das bösartige Geschwulst überwinden – trotzdem bleibt bei vielen der einmal an Krebs erkrankten Patienten ein innerer Druck, eine Verletzbarkeit, seelisch und körperlich, die eine besondere Zuwendung verlangt. Aber nicht nur die Seele eines einmal an einem Karzinom erkrankten Patienten ist sensitiver, auch der Körper ist anfälliger für andere Erkrankungen. So weiß man, dass bei Karzinompatienten generell ein höheres Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen besteht, für Diabetes, aber auch für Osteoporose; daher ist eine breite präventive Medizin, die nicht nur onkologisch sein muss – sinnvoll und soll angedacht werden.
Empfehlungen zur Veränderung des Lebensstils, aber auch für die gezieltere Einnahme von Spurenelementen und diätetische Substanzen sind sinnvoll – nicht um eine mögliche Wiederkehr des Karzinoms zu verhindern, sondern auch wegen des Herzens, des Stoffwechsels und der Knochen, die bei Krebspatientinnen für Krankheiten anfälliger sind.

Gewichtsreduktion

Der Ratschlag, das Gewicht zu reduzieren, ist simpel, billig, allerdings sehr schwer in die Tat umzusetzen. Dabei zählt das Übergewicht zu den größten Risikofaktoren für verschiedene Karzinome, für das Mammakarzinom, der Dickdarmkrebs, den Nierenkrebs, den Speiseröhrenkrebs und dem Gebärmutterschleimhautkarzinom. Vor allem übermäßige Gewichtszunahme während der onkologischen Therapie ist kontraproduktiv und muss unter allen Umständen verhindert werden. In einer großen, 5000 Frauen umfassenden Untersuchung wurde gezeigt, dass die Zunahme des Körpergewichtes um bis zu 2 kg pro Quadratmeter die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Karzinoms um 40% erhöht; dies stieg sogar auf über 50 % an, wenn die Gewichtszunahme mehr als 2 kg /m2 betrug.

Auch die Lebensqualität wird durch die Gewichtsabnahme positiv beeinflusst, ein nicht zu unterschätzender Aspekt, der für die Befindlichkeit von Karzinompatienten von Bedeutung ist. Bei Brustkrebs-Patientinnen ist die Normalisierung des Körpergewichtes wichtig. Frauen, die in Frühphasen des Brustkrebses im obersten Quintil mit ihrem Gewicht sich befanden, hatten ein 70% höheres Risiko, an diesem Malignom zu versterben. Dies demonstriert eindrucksvoll die Bedeutung, die das Körpergewicht bei hormonabhängigen Malignomen besitzt.

In einer beeindruckenden Studie wurden 900.000 erwachsene Amerikaner über 16 Jahre lang beobachtet und überprüft, wie hoch die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu sterben, bei übergewichtigen Männern und Frauen (Bodymaß über 35) – verglichen mit Menschen mit einem normalen Bodymaß-Index von 18.5 bis 24.9 sei. Dabei zeigte sich in beeindruckender Weise eine starke Assoziation zwischen dem Übergewicht und dem Auftreten unterschiedlicher Karzinome.
Besonders ernst genommen muss die Gewichtszunahme unter der Chemotherapie werden. Jüngere, praemenopausale Patientinnen können durch die künstlich hervorgerufene Menopause metabolische Probleme bekommen, wodurch es zu einer Gewichtszunahme kommt. Dies erhöht nicht nur das kardiovaskuläre Risiko, sondern reduziert die Wirkung der onkologischen Behandlung. Aus diesem Grund soll während der Chemotherapie in besonderer Weise auf das Gewicht geachtet werden.

Übergewichtigkeit stellt bei Männern ein größeres Risiko für das kolorektale Karzinom dar als bei Frauen. Eine Erklärung dafür liegt im zentralen Fett, das beim Mann stärker ausgeprägt ist als bei der Frau; aber auch im zirkulierenden – diesmal schützenden – Östrogen. Nach oder während einer onkologischen Behandlung verschiebt sich auch das Fett- bzw. Muskel-Gewebe, ersteres nimmt zu und ist gefährlich, letzteres nimmt ab. Ob dies in einem Zusammenhang mit der Chemotherapie oder mit hormonellen Interventionen steht, kann derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden.

Die Normalisierung des Körpergewichtes ist für die primäre und die sekundäre Krebsprävention wichtig. Vor allem soll vermieden werden, dass es nach der Operation oder nach einer anderen onkologischen Behandlung zu einer Gewichtszunahme kommt.

Krebsvorbeugung durch Sport

Neben der Gewichtsreduktion kommt der körperlichen Aktivität bei der primären und sekundären Vorbeugung von bösartigen Geschwulsten ein besonderes Gewicht zu. Die bis jetzt vorliegenden Studien zeigen unisono, dass Sport auch bei onkologischen Patienten für das Herz-Kreislaufsystem wichtig ist; darüber hinaus wirkt Bewegung stimmungsaufhellend und verbessert damit die Lebensqualität. Vor allem aber scheint sie einen Schutzeffekt gegen das Wiederauftreten von Metastasen zu haben. Die heilende Wirkung des Sportes macht man sich schon bei oder unmittelbar nach einer onkologischen Behandlung zunutzen. Während früher die Meinung herrschte, dass nach Operationen jede körperliche Aktivität schlecht sei, rät man heute vielen Krebspatienten, sehr früh nach der Behandlung mit einem Bewegungsprogramm zu beginnen. Der Muskel, so weiß man es heute, dient nicht nur dem Bewegungsapparat, sondern hat viele Aufgaben im menschlichen Körper. Er regt das Immunsystem an und setzt während seiner Kontraktionen Proteine frei, die die immunologische Situation verbessern. Aber auch das Stickmonoxyd, durch das vorbei fließende Blut in der Gefäßinnenauskleidung gebildet, steigert die Abwehrkräfte des Menschen.

Vor allem verbessert die sportliche Aktivität den Glukosehaushalt der Zellen, deren Kraft wird dadurch vermehrt, die Konzentration des Insulins und anderer insulinähnlicher Wachstumsfaktoren sinkt. So verringert sich auch die Teilungsgeschwindigkeit der Zellen, das Risiko für eine Geschwulstbildung. Bei manchen Karzinomen konnte gut demonstriert werden, dass zwischen der Höhe des Insulins, des Insulin like growth factors und der Wahrscheinlichkeit, Krebs zu bekommen, eine signifikante Beziehung besteht. Sportliche Aktivität wirkt sich günstig auf diese Situation aus.

Damit kommt neben der Gewichtsreduktion und der Balancierung des Energiehaushaltes der körperlichen Aktivität eine außer Zweifel stehende Schutzfunktion gegen dem Wiederauftreten bösartiger Geschwulste zu. Günstig wirkt sich aber auch der Sport – neben der Minderung der Gefahr, dass ein weiteres Geschwulst entsteht – auf das Herz-Kreislauf-System, auf die Knochen, auf depressive Verstimmungen, Ängstlichkeit und Müdigkeit aus; Probleme, die bei Krebspatienten häufiger auftreten und denen man auch entgegentreten muss.

Beim Dickdarmkrebs aber auch beim Brustkrebs wurde wissenschaftlich gut evaluiert, ob Sport und körperliche Aktivität die Gefahr eines Wiederauftretens bösartiger Erkrankungen zu senken im Stande ist. Die bisherigen Ergebnisse bestätigen dies.

Die präventive Kraft der Ernährung

In der Ernährung spielt der Gehalt an gesättigten und ungesättigten Fettsäuren eine nicht wichtige Rolle. Da bösartige Geschwülste vermehrt mit Herzkreislauferkrankungen assoziiert sind, ist das Augenmerk auf den Fettgehalt wichtig und ihr Einfluss auf das weitere Entartungsrisiko von Gewebe diskutiert. In einer kleinen Untersuchung konnte beim Prostatakarzinom gezeigt werden, dass die Erhöhung der Omega-3-Fettsäuren in der Nahrung günstig ist. Gleichzeitig wurde in einer anderen Studie demonstriert, dass eine fettärmere und ballaststoffreiche Diät den Östrogenspiegel senkt. Verschiedene Empfehlungen setzen den Fettanteil des Essens bei 20 bis 35 % fest, wobei der Anteil gesättigter Fettsäuren unter 10 % liegt. Ähnliche Empfehlungen gibt es bei Proteinen, deren Verzehr ungefähr 0.8 g/kg Körpergewicht ausmachen soll.

Ob eine faserreiche Ernährung mit Obst und Gemüse nicht nur für die Prävention des Herz-Kreislaufsystems wichtig ist, sondern auch als Schutz gegen bösartige Geschwulste wirkt, ist zurzeit noch nicht restlos geklärt. Einzelne Studien wiesen darauf hin, dass ein durch die Diät erzielter, hoher Plasma-Karotinspiegel bei der Frau gut sei. Dass Soja möglicherweise eine Protektion gegen die Entstehung hormonabhängiger Karzinome entfaltet, wird seit vielen Jahren diskutiert und resultiert aus der Beobachtung, dass in asiatischen Ländern, wo viel Soja verzehrt wird, das Mammakarzinom sehr niedrig ist. Kürzlich erschienen zwei große Studien, die den Schutz von Isoflavonen konfirmierten. In einer holländischen Arbeit und in einer Studie aus Singapur wurden zusammen mehr als 24.000 Frauen untersucht und bei einem Teil der im Blut festgestellte Isoflavonspiegel (Isoflavone sind wichtige Bestandteile von Soja) mit dem Auftreten des Brustkrebses korreliert. Zur großen Überraschung bewiesen die Forscher, dass eine so genannte inverse Korrelation vorhanden war: Je höher der Isoflavonspiegel, umso geringer die Wahrscheinlichkeit, an Brustkrebs zu erkranken. Es kommt demnach nicht darauf an, wie viel Soja man zu sich nimmt, sondern ob wichtige Bestandteile davon tatsächlich in den Körper aufgenommen werden können.

Auch das einfache Leinsamen-Kraut erlangt langsam die höheren Weihen in der Vorsorgemedizin. Einerseits hemmt es die Aromatse, ein Enzym, das im Gewebe – und natürlich auch in der Brust – Östrogene herstellt; andererseits wirkt es über einen spezifischen Rezeptor, den Östrogenrezeptor-Beta, der mitosesteigernden (zellteilungssteigernde) Wirkung des Östrogens entgegen. Je weniger Zellteilungen (Mitosen), umso geringer auch die Wahrscheinlichkeit, an bösartigen Geschwulsten zu erkranken.
Weiters überwacht der Leinsamen das Schicksal des Östrogens, des vom Körper selbst hergestellten und des im Rahmen der Pille oder der Hormonersatztherapie aufgenommenen. Bekanntlich kann das Östrogen in das mehr aggressive 4- und 16-Hydroxyöstron verwandelt werden, was für die Zellen eine Belastung darstellt, andererseits beruhigt das 2-Hydroxyöstron, ebenfalls ein metabolisches Kind des Östrogens, die Zellen. Leinsamen fördert den Östrogenabbau in die günstige Richtung und lässt mehr 2-Hydroxy-Östrogene entstehen.
Eine ähnliche Wirkung haben auch die Bestandteile des Kohlgemüses, von Brokkoli und vom Grünen Tee.

Der stärkste Aromatasehemmer aus dem Pflanzenreich scheint Chrysin zu sein, ein Wirkstoff, den man in der Passionsfrucht findet. Allerdings wird der Inhaltsstoff nach oraler Aufnahme rasch inaktiviert, sodass die Wissenschaft Mittel und Wege suchen muss, um diese interessanter Substanz im weiblichen Körper zu halten.

Folsäure und Selen sind wichtige Bestandteile der Entsorgungsenzyme unseres Körpers. Sie schützen ihn vor Giften und scheiden auch gefährliche Hormonzwischenprodukte aus. Deswegen erscheint es sinnvoll – wenn sie fehlen – sie mit der Nahrung oder in Form von Nahrungsergänzungen aufzunehmen.

Chemoprävention durch Phytochemicals

Bis zu zwei Drittel aller Karzinome beim Menschen könnten – und das ist wiederholt untersucht worden – durch eine Lifestyle-Veränderung verhindert werden. Rund 35% der Todesfälle beim Krebs stehen mit dem Essen in einer Verbindung.
Nach einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahre 2002 sind es ca. 2,7 Millionen Krebstodesfälle weltweit, die durch einen zu geringen Konsum von Obst und Gemüse hervorgerufen wurden. Mehr als 250 Studien sind derzeit verfügbar, die zeigen, dass Menschen, die fünfmal am Tag Obst oder Gemüse zu sich nehmen, signifikant weniger bösartige Geschwulste, aber auch andere Erkrankungen des Verdauungs- und Atmungstraktes bekommen. Dies hat in den Vereinigten Staaten zu einem „5 a day for better health-Programm“ geführt.

Daneben bemüht sich die Wissenschaft intensiv, Pflanzenbestandteile zu finden, welche in der Onkologie theapeutisch oder präventiv eingesetzt werden können. Das Taxol aus der Kanadischen Eibe ist ein derartiges Fundstück, das seit kurzem mit großem Erfolg in der Chemotherapie Verwendung findet.

Derzeit hat das International Cancer-Institut 35 von Pflanzen kommenden Nahrungsbestandteile indentifiziert, die in der Lage sind, das Krebsrisiko zu senken. Diese kommen in den bekannten Gemüsen wie Knoblauch, Tomaten und Kreuzblütlergewächse vor.

Die Pflanzenbestanteile können dabei in alle drei Phase der Krebsentstehung eingreifen: In die Tumorentstehung, in das Tumorwachstum und in die Metastasierung.

An der Krebsentstehung sind Substanzen beteiligt, welche die Zellen zu Höchstleistungen anregen und damit die Fehlerwahrscheinlichkeit und das Risiko der Krebsentstehung erhöhen. Diese „Aktivatoren“ haben meist einen unansprechlichen Namen, ein wichtiger ist die MAP-Kinase-Familie (steht für Mitogen activated proetin Kinase), sowie die PKC (Protein Kinase C) und die PI3K-(Phosphotidyl Innositol-3 Kinase)Familien.
Diese Wachstumskommandanten bedienen sich biologischer Unteroffiziere, die dann letzten Endes die Zelle in die Arbeit und die Teilung hinein drängen. Gegen sie scheinen offensichtlich Kräuter gewachsen zu sein, denn die Medizin hat Bestandteile in Pflanzen entdeckt, mit denen man die Zellaktivität einbremsen kann, was einen gewissen Schutz gegen die Krebsentstehung mit sich bringt.

Das wachstumsstimulierende AP1 sowie der Entzündungsmediator NFkB (nuklear Faktor Kappa B) gehören zu solchen „Antreiber“ der Zelle, die sie auch bis in den Krebs hinein treiben können. Curcumin hemmt beide Substanzen, aber auch das Epigallocatechingallat des Grüntees sowie die Geschmackskomponente von Chilly. Die Schutzwirkung des Resveratrols, dem Schalenbestandteil roter Weintrauben, beruht ebenfalls auf seiner Fähigkeit, AP1 und NFkB bremsen zu können.

Beta-Catenin ist Hauptbestandteil eines anderen Stimulationsprogramms, das einerseits die Zelle zur Höchstleistung anregt, andererseits sie aber auch entarten lässt. Ist es zu aktiv, kann dies eine Gefährdung der Zelle mit sich bringen. Bestandteile der Distel, von Zitrusfrüchten, aber auch das Indol-3-Carbinol gehören zu jenen Schätzen aus Mutter Natur’s Kästchen, welches das Catenin-Signalsystem einbremsen.
Die Medizin der Zukunft wird sich in zunehmendem Maße der in der Natur vorkommenden Substanzen, die oft hunderte Millionen Jahre alt sind, bedienen. Dass diese der Gesundheit dienen können ist seit Jahrzehnten bekannt. Allerdings scheinen auch sie bestimmte „Indikationsgebiete“ zu besitzen: ein Pflanzenstoff wirkt bei einer, der andere wieder bei einer anderen biologischen Konstellation. Diese Unterscheidungen machen zu können und gezielt ein Beratungsprogramm für das Essen aufzustellen, bemüht sich derzeit die medizinische Forschung. Nutrigenomic, heißt dieses interessante Wissensgebiet, an dem derzeitig intensiv gearbeitet wird.

E – Genuntersuchungen zum Vorbeugen

Genuntersuchungen zeigen nur eine gewisse Belastung an, der man entgegenarbeiten kann. Sie sind keineswegs ein sicheres Urteil, z. B. an einem Brustgeschwür zu erkranken. Man kann die Resultate dieser Genanalysen mit dem hohen Cholesterinspiegel oder mit der Hypertonie vergleichen, beides stellen Risikofaktoren für das Herzkreislaufgefäß dar und beides geht mit einem erhöhten Herzinfarktrisiko und einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle einher. Trotzdem gibt es viele Menschen, die trotz hohem Blutdruck nie an einem Herzinfarkt erkranken, wiewohl es andererseits sehr sinnvoll erscheint, gegen die Hypertonie beziehungsweise gegen die Hypercholisterämie etwas zu unternehmen, da man damit die Wahrscheinlichkeit der Verkalkung tatsächlich verringert. Ähnliches gilt auch für die Genuntersuchungen, die eine höhere Östrogenbelastung der Brust anzeigen. Sie sollen Anlass sein, dass man dem entgegenarbeitet.

Aromatasegen (CYP 19)

Die Aromatase ist jenes Enzym, das in der Brust aus männlichen Hormonen Östrogene herstellt. Arbeitet es stärker, so wird mehr Östrogen in der Brust gebildet, was als Risikofaktor angesehen werden kann. Tatsächlich zeigen manche Untersuchungen eine erhöhte Assoziation zwischen den schnell arbeitenden Genvarianten und der Gefährdung für Brusterkrankungen auf. Wenn man eine derartige Genvariante besitzt, so kann man daraus die Information ableiten, dass die Brust zu einer vermehrten Östrogensynthese neigt; dies könnte durch die Beobachtung der Brustdichte im Rahmen der Mammographie zusätzlich noch überprüft werden.
Um die Aromataseaktivität bei Frauen, die diese Genvariante in sich tragen, zu reduzieren, stehen mehrere Möglichkeiten offen. Einerseits weiß man, dass körperliche Aktivität, Sport, Gewichtsreduktion zu einer Aktivitätsabnahme dieses Enzyms führen. Alkohol auf der anderen Seite vermehrt es, genauso ist es wie bei übergewichtigen Patientinnen stärker aktiv. Liegt zusätzlich eine von Haus aus schon schneller arbeitenden Genvariante vor, so verstärkt sich bei übergewichtigen Frauen diese Genkonstellation. Hier wäre es besonders wichtig, auf eine Normalisierung des Körpergewichtes zu drängen. Flavonoide, wie sie in Soja und Rotklee vorkommen, besitzen eine Aromatasehemmwirkung und sind deswegen – schon vom rein diätetischen – dort zu empfehlen, wo dieses Enzym verstärkt wirkt. Derzeit liegen schon Medikamente vor, die es gestatten, die lokale Östrogenbildung in der Brust zu reduzieren. In manchen Ländern werden diese Stoffgruppen auch zur Vorbeugung, das heißt zur Prävention des Mammakarzinoms eingesetzt und sind dafür auch zugelassen. Wenn man bei anamnestisch belasteten Patientinnen diese Genvariante trifft, dann ist es sinnvoll, derartige aromatasehemmende Medikamente mit seinem Arzt zu besprechen.

Aber auch Lignane eignen sich hervorragend dazu, die Aromatase zu hemmen.

Androgenrezeptor-Genvariante

Die männlichen Hormone spielen für die Frauengesundheit eine große Rolle. Sie sind in der Brust die natürlichen „Antiöstrogene“, die die zellstimulierende Wirkung der Östrogene hemmen, beziehungsweise reduzieren. Dies ist auch der Grund, warum Männer – obwohl sie über die gleichen Gene verfügen – keine Brustdrüse entwickeln, männlichen Hormone verhindern dies. Die Brustdrüse der Frau bildet sowohl die Östrogene wie auch – und dies ist in der Vergangenheit viel zu wenig beachtet worden – männliche Hormone, die nicht mehr in Östrogene umgewandelt werden können. Diese haben einen Hemmeffekt auf die Aromatase, also auf jenes Enzym, das Östrogene aus Androgenen herstellt. Aromatasehemmer sind Hochpreismedikamente, die zur Behandlung des Mammakarzinoms eingesetzt werden. Sie sind in der Lage, die Bildung von Östrogenen innerhalb der Brust zu verhindern. Seit einiger Zeit weiß man, dass diese Stoffe von der Brustdrüse selbst hergestellt werden. Um allerdings an der Brust wirken zu können, benötigen männlichen Hormone den so genannten Androgenrezeptor, über den sie ihre Wirkung entfalten. Dieser Rezeptor liegt in zwei Genvarianten vor: in einem langsam und in einem schnell arbeitenden Typ. Damit die männlichen Hormone der weiblichen Brust ihre Schutzwirkung optimal entfalten können, benötigen sie naturgemäß den schnell arbeitenden Rezeptor, über den sie ihre Wirkung der Zelle vermitteln. Liegt der Androgenrezeptor in einer langsam arbeitenden Genvariante vor, so stellt dies eine Belastung für die weibliche Brust dar, der Körper der Frau kann den Schutzeffekt der männlichen Hormone nicht mehr entgegennehmen, weil er über nicht ausreichende oder nur langsam arbeitende Rezeptoren verfügt.

Weiß man um diese Genvariante Bescheid, so wird man auch die vorher erwähnten Ratschläge befolgen, welche die Aromataseaktivität – die durch Androgene unterdrückt sind – verringern können. Zusätzlich kann man die männlichen Hormone im Körper der Frau untersuchen. In manchen Ländern sind männliche Hormone als Salbe in Verwendung, um die Brust zu schützen. Aber auch durch die Ernährung gelingt dies. Pinien und Passionsfrucht verfügen über Stoffe, welche männlichen Hormonen ähnlich sind, die in der Brust ihre Schutzwirkung entfalten könnten. Dies muss weiter untersucht werden.

Das Gen für die Katechol-O-Methyltransferase (COMT)

Dieses Enzym mit dem unaussprechlichen Namen entsorgt das Östrogen aus dem Körper, es addiert an das Hormon einen Methylrest (CH3) – daher kommt auch der Name – und erlaubt dem Östrogen, den Organismus der Frau zu verlassen, indem es über den Stuhl oder über den Urin ausgeschieden wird. Dieses Entsorgungsenzym liegt in zwei Genvarianten vor; in einem schnellen und in einem langsam arbeitenden Typ: Östrogene verbleiben länger im Körper der Frau, wenn die Katecholmethyltransferase in einer weniger aktiven Genform vorliegt.

Die Kenntnis dieser Genkonstellation ist deswegen sinnvoll, weil durch die einfache Zufuhr von Folsäure beziehungsweise von Nahrungsmitteln, in denen Folsäure vorkommt, die schwächere Enzymform in seiner Geschwindigkeit angeregt werden kann. Damit gelingt es, durch einfache diätetische Maßnahmen die Ausscheidung des Östrogens zu beschleunigen.

CYP 1A und CYP 1B

Enzyme, die Gene mit dem kryptischen Namen CYP A und CYP B tragen, sind an der Entsorgung des Östrogens beteiligt. Darüber hinaus stellen sie jene zwei, bereits schon erwähnten Abbauprodukte her, die zusätzlich – bevor sie ausgeschieden werden – im weiblichen Organismus als Östrogene wirken. Ist das CYP1 A1 verstärkt aktiv, so entsteht das günstige 2-Hydroxyöstron. Ist allerdings das CYP 1B aktiver, so bildet der Körper aus dem 17 ß Östradiol das 4 Hydroxyöstron, das aus verschiedenen Überlegungen eine Belastung für den weiblichen Körper, vor allem aber für die Brust darstellt.
Gene für diese Enzyme sind unterschiedlich und damit entscheidet es sich, welcher Metabolit im weiblichen Körper gebildet wird. Wird vermehrt 4 Hydroxyöstron gebildet, weil CYP 1B in einer schnell arbeitenden Genform vorliegt, so kann sich das ungünstig auf die Brust auswirken. Allerdings gelingt es, in einfacher Weise, die Balance zugunsten des „milden“ 2 Hydroxyöstron herzustellen. Eine brokkolireiche Diät, vor allem aber der grosszügige Konsum von Grüntee, schafft im Abbau des Östrogens selbst dann Ordnung, wenn durch die Genstruktur ein ungünstiger Metabolisierungsweg beschritten würde. Dies ist ein weiteres Beispiel, wie sinnvoll die Kenntnis von Genvarianten sein kann, weil scheinbar ungünstige Varianten mitunter durch sehr einfache Interventionen ausgeglichen werden können.

Die Beratung aufgrund der Genkenntnis geht bei den beiden Genen noch weiter. Arbeitet das Gen CYP 1A schneller – was an sich günstig ist – weil dadurch vermehrt 2-Hydroxyöstron entsteht, so kann dies auf der anderen Seite aber auch eine dunkle Seite aufweisen. Raucht eine Frau, so werden die Schadstoffe, die über die Zigarette inhaliert werden, ebenfalls – ähnlich wie das Östrogen – metabolisiert und ausscheidungsfähig gemacht. So günstig das 2 Hydroxyöstron für den Umbau des Östradiols ist, so ungünstig erweist sich die schnell arbeitende Genvariante bei Raucherinnen. Denn hier wird – über das gleiche Enzym – der Zigarettenschadstoff in noch aggressivere Metabolite umgewandelt, die mit einem höheren Risiko für Brust- und Bronchuskarzinom verbunden sind. Weist eine Frau eine derartige Genvariante auf, so muss man sie – wenn notwendig – in diesem Fall auch mit Hilfe der Gene dringend beraten, das Rauchen einzustellen, weil sie unabhängig von den allgemein bekannten gesundheitsschädigend wirkenden Zigarette über eine zusätzliche Risikokonstellation verfügt, die sie anfälliger für Brustkrebs und für Lungenkrebs macht.

CYP 17

Dieses Enzym gleicht einer großen Pforte, durch die jene Stoffe in die Zelle gelangen, aus denen die Hormone kommen. CYP 17 ist in der Lage, aus Vorläufermolekülen die endgültigen Hormone, nämlich Androgene und Östrogene herzustellen. Das Gen für dieses Enzym liegt ebenfalls in unterschiedlicher Aktivitätsform vor, das schnell arbeitende Gen ist für eine hohe Hormonsynthese verantwortlich, die weniger aktive Variante versorgt naturgemäß die Zelle mit weniger Hormonen. Die Kenntnis dieser Genvariante ist für die Verschreibung der Hormonersatztherapie wichtig. Bei Frauen mit einem schnell arbeitenden Gen kann davon ausgegangen werden, dass ihr Körper in der Lage ist, in vielen Fällen ausreichend Hormone selbst zu produzieren. Die Zufuhr von Hormonen muss daher vorsichtig und – in besonderer Weise – in der niedrigst möglichen Dosierung erfolgen. Vor allem wird man mit der Zufuhr des DHEA zurückhaltend sein, einem Hormon, das es in manchen Ländern rezeptfrei gibt. Die Kenntnis der Gene erlaubt uns auch hier eine bessere und gezieltere Beratung.

Viele Frauen mit dem schnell arbeitenden CYP 17 brauchen übrigens keine Hormonersatztherapie.