[1.2] Skelett & Fettgewebe
Die unterschiedliche Inzidenz von Osteoporose bei Mann und Frau ist seit Jahrzehnten bekannt und war einer der ersten Hinweise dafür, daß es in der Medizin geschlechtsspezifische Probleme gibt.
Aus den weiblichen Knochen wird viel schneller Kalzium freigesetzt als aus dem männlichen – deswegen neigt die Frau auch vermehrt zur Osteoporose. Auch hier haben die Hormone des Eierstocks bzw. der Plazenta ihre Hände im Spiel. Durch die hormonbedingte Mobilisierung des Kalziums aus den Knochen wird dem neugeborenen Kind durch die Muttermilch das für das Kind notwendige Kalzium angeboten. Die Kalziumfreisetzung erfolgt nach der Geburt, durch das Abfallen der Schwangerschaftshormone. Dies ist einer der Gründe, warum bei der Frau das Skelettsystem ganz anders zu interpretieren ist als beim Mann. In weiblichen Knochen sind darüber hinaus Signalstoffe vorhanden, welche auch die Bauchspeicheldrüse steuern. Der Knochen ist demnach nicht nur für die Bewegung und für die Haltung notwendig, er ist darüber hinaus Reservoir für die Stammzellen, ein Kalziumdepot sowie ein Regulator des Blutzuckers.
Während einer Schwangerschaft und während drei Monate Stillzeit benötigt der weibliche Körper 140.000 zusätzliche Kalorien, die – wieder hormonabhängig – vor der Schwangerschaft im Oberschenkel und im Gesäßbereich gespeichert werden. Dies erklärt ein anderes Phänomen, nämlich die unterschiedliche Fettzusammensetzung zwischen dem männlichen und dem weiblichen Körper.
Neu ist, daß vor allem auch das Fettcompartement von Sexualsteroiden abhängig ist und im weiblichen Körper anders kontrolliert wird als im männlichen. Die Area gluteo-femoralis wird durch Progesteron und durch Östradiol vergrößert; die Lipoproteinlipase ermöglicht unter der Wirkung der Sexualsteroide eine verstärkte Einlagerung von Triglyceriden in die Adipozyten. Dadurch haben Frauen in dieser Körperregion größere Figurprobleme als Männer. Die Männer-dominierte Medizin hat dies in der Vergangenheit ignoriert und Gewichtsprobleme beim weiblichen Geschlecht hauptsächlich auf diätetische Fehler und auf Unbeherrschtheit beim Essen zurückgeführt. Die Kenntnis, daß der weibliche Körper tatsächlich im Fettmetabolismus anders konzipiert ist als der männliche, wird diese chauvinistische Sicht der Dinge etwas ändern. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, daß die männlichen Hormone die beta-3-adrenergen Rezeptoren in der Area abdominalis upregulieren, wodurch eine verbesserte Mobilisierung des abdominalen Fettes möglich ist. Naturgemäß sind die männlichen Hormone zwischen Frau und Mann unterschiedlich verteilt, so daß man auch in dieser Körperregion bei Gewichtsproblemen geschlechtsspezifisch diagnostizieren und therapeutisieren müßte. Auch das kürzlich beschriebene »uncoupling Protein 2« scheint von der geschlechtsspezifischen Hormonsituation in unterschiedlicher Weise beeinflußt zu werden.