[1.9.1] Allgemeine Einführung

A. Die Wechseljahre – neue Behandlungen alter Probleme

Das Klimakterium ist keine Krankheit, Wechseljahre sind eine natürliche Periode im Leben der Frau, die nicht pathologisiert werden dürfen. Treten allerdings durch Hormonstörungen Probleme auf, welche die Lebensqualität beeinträchtigen, so sollen jene körpereigene Substanzen des Eierstocks, die fehlen in ähnlicher Weise ersetzt werden, wie dies auch mit den Hormonen anderer Drüsen, z.B. den Schilddrüsenhormonen oder dem Insulin der Bauchspeicheldrüse geschieht. Hormone des Eierstocks sind kein Gift, sondern hochwirksame Bausteine unseres Körpers, welche die Evolution mit der Erhaltung der Art betraute.

So gibt es seit hunderten Millionen Jahren Östrogenähnliche Substanzen, die von Mutter Natur für verschiedene Aufgaben, bei den Pflanzen, bei Insekten und auch bei Fischen herangezogen wurden. Dabei schienen sie so verlässlich und wirksam zu sein, dass sie die Evolution vor ca. 40 Millionen Jahren, als die Säugetiere auf unserem Planeten entstanden, mit einer Aufgabe der besonderen Art betraute – mit der Erhaltung der Art. Wären Östrogene tatsächlich jene Schadstoffe, als die sie mitunter hingestellt werden, dann hätten sie während der Evolution bei weitem nicht jene Karriere gemacht. Natürlich arbeiten Hormone hochwirksam – deswegen müssen sie auch richtig eingesetzt werden. Würden andere Hormone, wie z.B. das Insulin, unnötig verordnet oder fälschlich dosiert, dann könnten daran Patienten mitunter versterben und niemand würde dem Hormon Insulin die Schuld geben, sondern der falschen Anwendungsart.

Östrogene, das Gelbkörperhormon Progesteron und die Androgene werden zwar hauptsächlich, aber nicht nur im Eierstock der Frau produziert, sie sind für verschiedene Organe des menschlichen und vor allem des weiblichen Körpers von solcher Bedeutung, dass die Natur ihre Produktion nicht den Keimdrüsen alleine anvertraut hat – auch andere Organe im weiblichen Körper, wie Fettzellen, das Gehirn und die Haut sind in der Lage, Geschlechtshormone zu produzieren, die sich allerdings des Nachweises im Blute mitunter entziehen, da sie nur lokal, d.h. im Gewebe, anzutreffen sind.

B. Welche Frau soll demnach eine Hormonersatztherapie in den Wechseljahren verwenden?

Nur jene, die Beschwerden hat, welche durch den Hormonmangel ausgelöst sind. Nicht immer kann man dies durch eine Blutuntersuchung dokumentieren. Der beste Hormonstatus ist der weibliche Körper, bekanntlich ist er auch der unübertreffbarste Arzt – der über ein Millionen Jahre altes Signalsystem Alarm schlägt, wenn ihm etwas fehlt, wenn er in Gefahr ist und es ihm nicht gut geht. Deswegen sind die Beschwerden des Hormonmangels auch die besten Entscheidungshilfen, ob man Hormone zuführen soll oder nicht.

Beschwerden, die in der Menopause durch hormonelle Turbulenzen auftreten, können sehr unterschiedlich sein und müssen demnach auch einer unterschiedlichen Beratung und Behandlung unterzogen werden. Sie bestehen nicht nur in den berüchtigten Hitzewallungen, in den Schlafstörungen und im Ausbleiben der Monatsblutung, sondern sie beginnen mit den Symptomen des Gelbkörpermangels, was meist zwischen dem 45. und dem 50. Lj – also noch vor dem Zeitpunkt der letzten Regel – anfängt

C. Die drei Hormongruppen des Eierstockes

1. Progesteron – Hormon für die Seele

Hauptprobleme des Progesteron(=Gelbkörperhormon)-mangels sind unregelmäßige Zyklen, das Blutungsintervall dehnt sich aus und oft ist es nicht mehr absehbar, wann die früher regelmäßig gewesenen Monatsblutungen zu erwarten ist.
Seelische Verstimmungen gehören zu einem anderen Beschwerdenkomplex, der ebenfalls durch Gelbkörpermangel hervorgerufen werden kann. Natürlich kommt es auch auf das Umfeld eines Menschen an, welches bei depressiven Verstimmungen immer wieder in das Kalkül gezogen werden muss: Probleme mit dem Partner, Belastung durch die Familie, durch Ehe und Beruf, aber auch zwischenmenschliche und kommunikative Unstimmigkeiten können für die Turbulenzen unserer Seele mitverantwortlich sein. Wenn allerdings betroffene Frauen gezielt darauf hinweisen, dass in ihrer Umgebung alles stimmig ist und sie trotzdem permanent traurig wären, dann sollen nicht stereotyp Psychopharmaka verschrieben, sondern auch bedacht werden, dass Eierstockshormone – und hier vor allem das Progesteron – auf die Seele große Einflüsse habe.

Die Therapie einer Depression fordert besonders viel Geduld, weil sich nicht vorhersagen lässt, welcher Patient auf welches Mittel anspricht. In inflationärer Weise allerdings die Diagnose „Depression“ zu stellen und anschließend – ebenfalls inflationär – Antidepressiva zu verschreiben, ist problematisch.

Sicher ist es unrichtig, ein Savonarola oder ein Bernhard von Clairvaux in Arztkutte zu sein und einen Kreuzzug gegen Antidepressiva lostreten zu wollen – ähnlich wie es bei der Hormoneratztherapie war. Allerdings ist es auffallend, dass in der Diskussion über HRT und um die in den Wechseljahren viele Frauen zweifellos belastenden Depressionen immer wieder Anti-Depressive als Ersatz der Hormonersatztherapie ins Spiel gebracht wurden – unter Ausblendung jener Nebenwirkungen, die auch ihnen zukommen. Misst man hier unabsichtlich oder vielleicht sogar absichtlich mit zweierlei Maß?

Das Progesteron ist das Hormon der weiblichen Seele. Progesteron-Mangel kann für depressive Verstimmungen mitverantwortlich sein. Aber auch der Wasserstau am Gewebe, Gewichtsprobleme, Venenschmerzen und die Geblähtheit des Darmes, sind ebenfalls Symptome eines Progesteronmangels.

Dies signalisiert das unterschiedliche Beschwerdebild, welches durch Hormonstörungen ausgelöst sein kann. Die Hormone des Eierstockes steuern zahlreiche Organe im weiblichen Körper. Viele biologische Regelkreise sind von ihnen abhängig und dies macht die große Fülle von Beschwerden verständlich, die bei Hormonmangelzuständen entstehen können.

2. Östrogene und Androgene – Hormone für Schlaf, Herz und Schönheit

Während der Progesteron-Mangel schon lange vor den Wechseljahren auftreten kann, manifestiert sich das Östrogen – Defizit erst später, meist um das 50.Lj – und ist am völligen Ausbleiben der Monatsblutung erkennbar. Leitsymptom der Östrogenmangelzustände sind die berüchtigten Wallungen, die unangemeldet über den weiblichen Körper hereinbrechen, häufig in Stress-Situationen oder beim bzw. nach Alkohol-und Kaffeekonsum. Diese Hitzewallungen treten vor allem in den Nachtstunden auf und bewirken einen leidenden Schlaf, was gesundheitliche Folgen mit sich bringt, da berufstätige Frauen morgens chronisch unausgeschlafen aufstehen und zur Arbeit gehen müssen. Natürlich können – wie bei depressiven Verstimmungen – viele Ursachen diese Probleme hervorrufen. Treten sie allerdings mit dem Unregelmäßigwerden oder mit dem Ausbleiben der Monatsblutung koinzidenziell auf, so ist ihre hormonelle Ursache wahrscheinlich. Schlaflosigkeiten der Wechseljahre sind durch ein spezifisches Muster gekennzeichnet und damit den Hormonstörungen zuzuordnen: betroffene Frauen schlafen am Abend zwar ein, allerdings werden sie nächtens wach und haben dann Schwierigkeiten, weiter zu schlafen. Das Aufwachen ist auch von Hitzewallungen begleitet. Beseitigen kleine Östrogendosen, welche am Abend vor dem Schlafengehen, eingenommen werden, die Probleme des Durchschlafens, dann ist dies der beste Beweis für die richtige Therapie. Zweifellos die bessere Variante als nicht Schlafen oder Schlafmittel zu nehmen.

Zu den Symptomen des Östrogenmangels gehören aber auch der hohe Cholesterinspiegel, die labile Hypertonie und das Herzstolpern. Der natürliche Schrittmacher des Herzens wird von Kalzium-und Natrium-Ionen beeinflusst, welche interessanterweise auch vom Eierstock abhängig sind. Dies erklärt die mit Hormonstörungen gleichzeitig auftretenden Rhythmusstörungen des Herzens.

Völlig unverständlich ist für viele betroffene Frauen der erhöhte Cholesterinspiegel: die Lebensgewohnheiten, vor allem aber die Ernährung hätten sie nicht geändert, berichten immer wieder betroffene Frauen und können es deswegen überhaupt nicht verstehen, daß quasi von einem Monat zum anderen der Cholesterinspiegel massiv ansteigt. Tritt dieses Problem um die Wechseljahre herum auf, so ist der Zusammenhang mit den klimakterischen Hormonstörungen wahrscheinlich. Das Östrogen hat die vielfach unbekannte Eigenschaft, den Cholesterinspiegel zu senken, fällt dieses Hormon in den Wechseljahren aus, so wird das Cholesterin nicht mehr gebremst und steigt an.

Der Blutdruck wird vom Östrogen in genialer Weise equilibriert, die „labile Hypertonie“, die mit einem plötzlichen Blutdruckanstieg einhergeht, welcher sich nach Stunden wieder normalisiert, gilt Kennern ebenfalls als Östrogenmangelsymptom. Hier gilt das gleiche wie bei den anderen Beschwerden: verschwindet durch eine leichte und niedrige Östrogenzufuhr das internistische Problem, dann hat die Behandlung ins Schwarze getroffen.

Weitere Symptome des klimakterischen Östrogenmangels sind der Gelenkschmerz – oft mit der rheumatoiden Arthritis verwechselt, das trockene Auge, die trockenen Schleimhäute sowie Blasenprobleme. Nicht bei jeder Frau tritt dies in den Wechseljahren auf, allerdings soll man an die Hormonabhängigkeit dieser Probleme denken, wenn sie im Klimakterium beginnen.

Androgene sind die letzten Hormone, die oft erst Jahre nach der Menopause absinken und zu einer Veränderung der Körpersilhouette, zu Gewichtsproblemen, zu chronischer Müdigkeit, zu einem Verlust der Libido und mitunter auch zu einem Größerwerden der Brust führen.

Diese drei Hormongruppen, das Gelbkörperhormon Progesteron, das Östrogen und die männlichen Hormone, die Androgene, werden im weiblichen Eierstock produziert und fallen hintereinander aus. Ihr Fehlen muss nicht, kann aber subjektive Probleme der betroffenen Frau bereiten, die durch ein Ausgleichen des entsprechenden Hormons beseitigt werden können.

D. Die drei Fragen der Hormonersatztherapie

Beginnt man in den Wechseljahren mit einer Hormonersatztherapie, so sind vorher drei Fragen zu stellen und auch zu beantworten:
1.Frage: Braucht man überhaupt eine Hormonersatztherapie?

Meldet das körpereigene Überwachungssystem keine Beschwerden, geht es der Frau in den Wechseljahren gut, so ist eine Hormonersatztherapie sinnlos. Selbst wenn die Eierstöcke nicht mehr arbeiten, wird offensichtlich der Bedarf an Geschlechtshormonen in den unterschiedlichen Teilen des weiblichen Körpers gedeckt.
Die berühmte WHI-Studie, welche für Unruhe sorgte, hat diese Frage übersehen. Hormone wurden an tausenden Frauen verteilt, die keinerlei Beschwerden eines Hormonmangels zeigten – und nach einigen Jahren war man erstaunt, dass Nebenwirkungen auftraten. Dass die erste und zentrale Frage von den Designern der Studie übersehen und nicht gestellt wurde, ging in der allgemeinen emotionalen Diskussion unter – oder ist auch ausgeblendet worden.
2.Frage: Welches Hormon benötigt die Frau?

Die Eierstöcke der Frau bilden drei große Hormongruppen, welche in andere Metabolite (quasi „Hormonableger“) umgewandelt werden. Die einzelnen Gruppen haben unterschiedliche Aufgaben, die sich auch beim Fehlen in sehr individueller Weise zeigen. Frauen mit differenzierten Wechseljahrs-Beschwerden in undifferenzierter Weise ein und das gleiche Hormon zu verschreiben – und dies auch meist tausenden anderen völlig unterschiedlichen Frauen – ist nicht Standard in der molekularmedizinischen Zeit. Schon im Abfragen der Symptome kann man sich meist ein Bild darüber verschaffen, welches Hormon wirklich fehlt.

3. Frage: In welcher Dosierung soll das Hormon zugeführt werden?

Theophrastus Paracelsus soll den klugen Satz gesagt haben, dass es auf die Dosis eines Mittels ankommt, die letztendlich entscheidet, ob der Stoff, den man zuführt, Heilmittelwirkungen hat oder ein Gift wird.Für die Hormonersatztherapie gilt es seit langem: Man soll nur jene Dosis wählen, die man benötigt, um das Beschwerdebild zu eliminieren – diese Dosis kann schwanken, von Frau zu Frau und von Jahreszeit zu Jahreszeit und macht eine individuelle Strategie des behandelnden Arztes notwendig.

Diese 3 Fragen können durch weitere ergänzt werden: Die Frage, wie Hormone zugeführt werden sollen, wird zunehmend interessanter, da es neben der Pillenform bereits andere Varianten, durch die Scheide, durch die Haut, durch die Mundschleimhaut gibt. Tritt ein Hormonproblem nur lokal auf, z.B. am Auge oder in der Scheide, so ist eine Ganzkörperbehandlung nicht unbedingt notwendig,

E. Die Hormonersatztherapie und das Johannes-Evangelium

Generell gilt für die Behandlung klimakterischer Beschwerden (nicht nur dafür) ein aus dem Hellenismus abgewandeltes Wort, mit dem das Johannes-Evangelium beginnt:
„Am Anfang war das Wort“. Bei jeder ärztlichen Beratung – vor allem aber auch wenn es um die Hormonersatztherapie geht, soll am Anfang das Wort stehen, das ausführliche Gespräch, das in vielen Fällen ausreichend ist, Beschwerden, die die Patientin nicht immer zuordnen kann, zu erklären; dadurch wird die betroffene Frau beruhigt, da sie die Zusammenhänge kennt; oft ersetzt dies auch eine weitere Therapie.
„Nach dem Wort kommt die Pflanze“, die Synonym für Lifestyle-Maßnahmen steht, die mitunter ebenfalls zu einer Verbesserung klimakterischer Symptome führen kann. Die Probleme des Androgenmangels, vor allem der Libidoverlust, können – um ein Beispiel zu nennen – durch körperliche Bewegung, durch Verzicht auf Alkohol und durch eine diskrete Gewichtsreduktion oft – ohne jedes Hormon gemanagt werden, vor allem körperliche Aktivität führt zu einem Ansteigen des Testosterons, welches man auch im Blut dokumentieren kann.

Am Anfang steht also das Wort, dann kommt die Pflanze und dann erst das Hormon, das dann eingesetzt werden soll, wenn man die Lebensqualität der Frau mit den vorher genannten beiden Strategien nicht verbessern konnte, die Probleme aber durch einen Hormonmangel ausgelöst sind. Diese stufenweise Beratung der Frau ermöglicht ebenfalls ein sehr differenziertes Vorgehen, wobei allerdings noch einmal festgehalten werden muss: Die Hormone des Eierstocks sind körpereigene Substanzen, welche der weibliche Organismus über Jahrzehnte bildet und die mit einem Gift nicht gleich gesetzt werden dürfen. Denn die Dosis ist es, die das Heilmittel oder das Gift ausmacht.

F. Die lange Geschichte der Östrogene

Östrogene übernahmen während der Evolution viele Aufgaben von Mutter Natur; so waren sie bei den Pflanzen für den Stoffwechsel und für das Wachstum der Blätter und des Stammes verantwortlich und deshalb kommen sie auch heute noch im Pflanzenreich vor. Allerdings steuern sie dort nicht die Fortpflanzung – wie beim Menschen – sondern die Funktion biologischer Systeme – wie den Stoffwechsel der Blätter, die nicht direkt mit der Reproduktion etwas zu tun haben. Als vor 40 Millionen Jahren die Säugetiere das Östrogen der Pflanzen übernahmen, um damit die Erhaltung der Art und die Reproduktion zu ordnen und sicher zu stellen, ließen sie den Östrogenen jene Funktionen, die sie bei den Pflanzen lange Zeit inne hatten, deshalb entfalten Östrogene beim Menschen eine doppelte Wirkung: Einerseits steuern sie die Fortpflanzung und damit jene Vorgänge, die in der Brust, in der Gebärmutter und in den Eierstöcken ablaufen; andererseits sind sie in die Regulation der Haut, der Blutgefäße und des Knochensystems involviert – dies ist ein Relikt uralter Zeiten und rührt noch aus jener Zeit her, als Östrogene im Königreich der Pflanzen wirkten. Für die neuen Aufgaben beim Säugetier und damit auch bei den Menschen benützen die Östrogenen einen eigenen Rezeptor, welcher die Hormonwirkung, vor allem auf die Fortpflanzungsorgane ausüben lässt – den so genannten Östrogenrezeptor-alpha, während der Bruder-Rezeptor, der Östrogenrezeptor-beta, seine Wirkungen vor allem dort entfaltet, wo er auch schon vor Millionen von Jahren die Stabilität und das Wachstum der Pflanzen überwachte. Östrogen wirksamen Stoffe der Pflanze benützen deshalb auch beim Menschen diesen zweiten Rezeptor, der an den Fortpflanzungsorganen, d. h. an der Brust und an der Gebärmutter weniger wirkt, dafür aber das Östrogen in die Knochen, in die Blutgefäße und in die Skelettzellen lässt. Deswegen eignen sich die Isoflavone – so heißen Östrogene der Pflanzen – für die Behandlung zahlreicher menopausaler Beschwerden, ohne dass damit die Brust in Mitleidenschaft gezogen würde, wie dies bei der über den Östrogenrezeptor alpha vermittelte Hormonwirkung wäre.

G. Die Hormone der Pflanzen

In den letzten Jahren hat sich die emotionale Diskussion über die Östrogene auch auf die Pflanzenhormone ausgeweitet. Wenn das Östrogen des Menschen ein Gift wäre, dann müsste es auch das der Pflanzen sein – so könnte man die mitunter sehr emotional geführte Diskussion zusammenfassen. Die Studienlage zeigt allerdings ein anderes Bild: eine große Meta-Analyse demonstrierte in eindrucksvoller Weise, dass die in Rotklee und Soja vorkommenden Pflanzenhormone gegen leichte und mittelstarke Wechselbeschwerden wirken, vor allem dann, wenn sie unmittelbar nach Beginn des Klimakteriums eingenommen werden. Aber auch was die Sicherheit betrifft, gibt es neue wissenschaftliche Informationen:
Abgesehen davon, dass in manchen Teilen der Welt seit Jahrtausenden die in Soja enthaltenen Pflanzenhormone ein ganzes Leben lang konsumiert werden und gerade in diesen Ländern die Wahrscheinlichkeit des Brustkrebses und des Prostatakrebses unvergleichlich geringer ist als bei uns, haben zwei große prospektive Untersuchungen klar demonstriert, dass die Präsenz der Pflanzenhormone im Blut der Frau, vor der Entstehung des Brustkrebses schützen: Je höher die Konzentration der Pflanzenhormone, umso geringer das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken bzw. je weniger Pflanzenhormone im Blut gefunden werden konnten, umso höher muss das Risiko für ein Mammakarzinom eingeschätzt werden.

H. Hormone dorthin wo sie sein sollen

Meist genügt es, das fehlende Hormon dort anzuwenden, wo es Probleme verursacht. Klagt eine Patientin über Brustschmerzen, so wird man das Progesteron nur an diesen beiden Organen verwenden, ist die Scheide trocken oder bestehen Blasenprobleme, eignet sich die lokale Östrogenzufuhr, lediglich in der Scheide. Auch das trockene Auge kann lokal behandelt werden, indem man das Geschlechtshormon, dessen Fehlen die Augentrockenheit hervorruft, lediglich unter den Augen, in den Augenringen, appliziert. Gleiches gilt für jene Gelenksschmerzen, deren Ursache in Hormonstörungen liegen; das Gelenk der Frau ist dankbar für Hormone, welche nur auf die schmerzenden Stellen aufgetragen werden und gleiches gilt natürlich auch für die Haut und für die Haare. Fallen letztere aus bzw. wird die Haut dünner und schmerzt und sind die Ursachen dafür in einer Hormonveränderung zu erblicken, so braucht die Therapie sich nur auf die Problemzonen zu beschränken. Die lokale Behandlung ist eine interessante Hormonzufuhr, die von manchen Ärzten ironisiert wird, welche das ganze als „Salbenquack“ abtun, übersehend, dass die Dermatologie seit Jahrzehnten Wirkstoffe lokal aufbringt und man mit dieser Strategie letztendlich unnötige Hormone einspart: Denn wozu benötigt die Leber, oder die Niere, das Östrogen, dort gelangt es nämlich nach einer oralen Pilleneinnahme sehr wohl hin, wenn der Östrogenmangel sind lediglich an der Scheide manifestiert.

Eine weitere Frage, die auch in einen Katalog aufgenommen werden könnte, bezieht sich auf die Dauer der Hormonanwendung. Diese muss nicht bis zum Jüngsten Gericht erfolgen, wie sie früher von der Industrie den Ärzten und den Patienten aufdoktruiert wurde. Einmal im Jahr macht die betroffene Patientin eine Behandlungspause von 4 Wochen und überprüft, ob es ihr ohne Hormone genauso gut geht wie mit der Therapie. Ist dies der Fall, so kann sie die Substitution beenden, kommen allerdings die Probleme erneut, fängt man – mit einer reduzierten Dosis – die Hormontherapie wieder an. Auch hier ist es der eigene Körper, der anzeigt, wie lange die Hormonbehandlung zu erfolgen hat.

I. Machen Hormone dick?

Die Angst vor einer Gewichtszunahme wird bei den meisten Beratungsgesprächen thematisiert. Tatsächlich können in den Wechseljahren Gewichsprobleme auftreten und tatsächlich kann eine Hormonersatztherapie diese verstärken. Die Aktivität der Eierstöcke, der Eileiter und der Gebärmutter reduzieren im Klimakterium ihre Aktivität, dadurch benötigt der weibliche Körper auch weniger Energie, was sich in einer Reduktion der Nahrungsaufnahme niederschlagen sollte. Auch unabhängig von den Wechseljahren sinkt der Energiebedarf des Körpers in der zweiten Lebenshälfte. Wenn man seine Lebensgewohnheiten wie in den Jahrzehnten vorher beibehält, führt man mit der Zeit ein an Zuviel an Kalorien zu, da Abbau und Verbrauch weniger werden. Deswegen erscheint es sehr sinnvoll, mit zunehmendem Alter ab und zu eine Mahlzeit zu streichen und so die Gesamt-Energiemenge der Nahrung zu reduzieren. Dies ist vor allem im Klimakterium sinnhaft, weil einige Organe –Eierstock, Gebärmutter und Eileiter – weniger Energie benötigen als vorher.

Dazu kommt, dass Hormone tatsächlich aufbauende Wirkstoffe sind, ihre Aufgabe ist es, das Wachstum eines neuen Menschen zu steuern und auch den weiblichen Körper mit jenen neuen Zellen auszustatten, die er für die Schwangerschaft und für die Stillzeit benötigt. Deswegen ist es gerade am Beginn der Wechseljahre so wichtig, mit der niedrigsten Östrogendosis zu beginnen und sich langsam in die tatsächlich gebrauchte Hormonmenge einzuschleichen. So vermeidet man ein abruptes Überangebot an Hormonen, die das Energiereservoir der Fettzellen – und diese selbst – vergrößern. Vom behandelnden Arzt können einige Feineinstellungen vorgenommen werden, die ebenfalls eine unproportionale Gewichtszunahme verhindern. Das Stress-Hormon Cortisol vergrößert die Fettzellen zwischen den Gedärmen und wird durch das Progesteron neutralisiert. Eine Progesteronzufuhr kann mitunter diese unangenehme Cortisolwirkung verhindern. Aber auch die männlichen Hormone sind für die Balance der Fettzellen wichtig: sie fördern den Abbau der in ihnen enthaltenen Triglyceride, fehlen die männlichen Hormone, so ist die Energiemobilisierung reduziert. die betroffene Frau kann ihre Fettzellen-Reservoirs nicht mobilisieren. Eine vorsichtige und gezielte Hormongabe kann auch hier Abhilfe schaffen.

J. Bekommt man von den Hormonen einen Herzinfarkt?

Solange der weibliche Körper in den Eierstöcken Östrogen produziert, ist die Frau vor Herzkrankheiten viel geschützter als der Mann, Herzinfarkte sind vor den Wechseljahren eine große Seltenheit. Viele Studien konnten den Schutzeffekt der Hormone auf das Herz auch bestätigen, bis allerdings eine große amerikanische Studie ein Zunehmen von Herzproblemen unter der Hormonersatztherapie beschrieb. Was war geschehen?
Die WHI-Studie, welche diese Ergebnisse publizierte, hatte jene berühmte Frage nicht gestellt, ob Frauen tatsächlich Hormone benötigen – sie wurden ihnen einfach verschrieben – und meist 10 Jahre nach der Menopause. Zu diesem Zeitpunkt waren die Blutgefäße der Frauen teilweise schon erkrankt, viele der Studienteilnehmerinnen rauchten und auf kranke Adern wirken Östrogene anders als auf gesunde. In gesunden Blutgefäßen verbessern Östrogene die Durchblutung, sie relaxieren die Gefäßmuskulatur und regen biochemische Scheren an kleine Hindernisse in den Gefäßen zu eliminieren und die Durchblutung aufrecht zu erhalten. Bei starken gefährdeten Blutgefäßen hingegen bringen diese Scheren Arterien und Venen zum Platzen, dadurch entsteht bei kranken Organen jenes Problem, vor dem Östrogene gesondert schützen.

Dass Östrogene den Kalziumhaushalt regulieren, ist von den Knochen bekannt, gleiches hat der Weltenbaumeister auch in den Blutgefäßen installiert: auch dort fließt durch das Östrogen mehr Kalzium in die Zellen, allerdings nicht, um die Stabilität zu verbessern, sondern um biochemische Reaktionen hervorzurufen, die für ihr Funktionieren notwendig sind. Kalzium ist ein Signal, das vom Östrogen gegeben wird und die Zellen zu hohen Leistungen anregen soll. Die dafür verantwortlichen Gene sind z.B. die für das Osteoprotegerin aber auch für das Matrix-GLA-Protein. Werden bereits erkrankte Zellen durch das Östrogen zu hoher Aktivität angeregt, so kann dies eine kontraproduktive Wirkung entfalten. Die schneller arbeitenden erkrankten Zellen kollabieren, anstatt Leistung zu bringen – das Östrogen hätte früher eingesetzt werden müssen. Hormone sind keine Therapie für kranke Blutgefäße, wohl können sie aber Blutgefäße davor bewahren, krank zu werden. Sie haben eine präventive und keine heilende Wirkung. Demnach müssen Hormone dann verschrieben werden, wenn es noch nicht zu spät ist, unmittelbar nach der Menopause zu einem Zeitpunkt, wo die Blutgefäße noch intakt sind.

Allerdings sind Thrombosen bei Frauen häufiger als bei Männern. Dies sieht man unter der Pille, in der Schwangerschaft und auch in der Menopause. Während ihres Lebens verlieren Frauen mehr Blut, bei der Menstruation, vor allem aber nach der Geburt, was mitunter zum Tod der jungen Mutter führen kann. Deswegen hat die Evolution einen genialen Mechanismus entwickelt, der die Frau vor zu starken Blutungen mehr schützt als den Mann. Die Hormone der Fortpflanzung und der Schwangerschaft bewirken in der Leber eine verstärkte Produktion von Gerinnungsfaktoren, welche schneller bei der Frau zu einem Wundverschluss führen. Allerdings hat dies auch eine Schattenseite – die Neigung zu Thrombosen nimmt zu. Manchmal erkennt man schon an kleinen genetischen Varianten, ob die Frau Thrombose-anfälliger ist. Vor allem wenn unter der Pille und in der Schwangerschaft Thrombosen auftraten, soll dies vor Beginn einer Hormonersatztherapie abgeklärt werden.

K. Erzeugen Hormone Krebs?

Die Diskussion über den Zusammenhang zwischen Brustkrebs und Hormonersatztherapie wurde mit so vielen Emotionen geführt, dass die Aufarbeitung und die Darstellung vieler Zusammenhänge, welche bei diesem Thema berücksichtigt werden müssten, unterblieben. Tatsächlich sind Hormone Wachstumsfaktoren, welche das Wachsen des Kindes und die Anpassung des mütterlichen Organismus an die Fortpflanzung steuern. Auffallend jedoch ist es schon, dass in jener Lebensphase der Frau, in der das Östrogen und auch das Progesteron am stärksten produziert wird, nämlich vor dem 45. Lebensjahr, die Wahrscheinlichkeit, an einen Brustkrebs zu erkranken, Gott sei Dank niedrig ist. Zur Krankheitszunahme kommt es vor allem dann, wenn die Eierstöcke ihre Aktivität einstellen.

Da auf der anderen Seite die Wahrscheinlichkeit des Brustkrebses durch eine Hormonersatztherapie tatsächlich zunimmt –wenn auch in anderer Weise als es medial dargestellt worden war – wird immer häufiger die Vermutung geäußert, dass bei der Hormonersatztherapie Sicherheitsmechanismen nicht aktiviert wurden, welche Lebensjahrzehnte vorher – bei wesentlich höheren Hormondosen – die Frau trotzdem nicht an Brustkrebs erkranken lassen.

Zunächst aber zu den Details und den Studienergebnissen:
Eine schon vor Jahren veröffentlichte Meta-Analyse brachte das Risiko für das Mammakarzinom auf den Punkt: Verwenden tausend Frauen über 2 Jahre eine Hormonersatztherapie, so erkranken von diesen tausend Frauen zwei mehr an Brustkrebs als in einer Kontroll-Gruppe, in der tausend Frauen keine Hormone einnahmen. Beträgt die Hormonbehandlung 5 Jahre, so sind es 5 Frauen, die pro tausend mehr an einem Brustkrebs erkranken.

Zu einem ähnlichen Resultat kam die berühmte WHI-Studie, sie zeigte, dass eine gleichzeitige Einnahme von Östrogen und Progesteron die Wahrscheinlichkeit des Brustkrebses hebt, wird allerdings – und das war ein ebenfalls ausgeblendetes, interessantes Detail am Rande – Östrogen nur alleine verordnet, also ohne das Gelbkörperhormon, so sank das Brustkrebsrisiko, verglichen mit Frauen, die keine Hormone zu sich nahmen. Damit könnte das Östrogen in jene Substanzen eingereiht werden, die zur Verringerung des Mammakarzinom-Risikos eingesetzt werden, wie das Nolvadex und das Raloxifen.

Eine französische Studie modifizierte die Ergebnisse der WHI-Untersuchung: Werden natürliche Gestagene für die Hormonbehandlung verwendet, so steigt keineswegs das Brustkrebsrisiko an, sondern im Gegenteil, es sinkt.

Bei diesen widersprüchlichen Resultaten orientieren sich viele Wissenschaftler an Mutter Natur, die klar demonstrierte, dass Schwangerschaften in der Jugend einen starken Schutzfaktor gegen den Brustkrebs darstellen. Werden Frauen nicht schwanger oder erst zu Beginn der 4. Lebensdekade, so steigt das Mammakarzinom-Risiko wieder an. Dies spricht für einen Schutzmechanismus, welcher bei wiederholten Schwangerschaften auftritt, der aber bei manchen Frauen fehlt. Verständlicherweise wird intensivst in diesem Bereich geforscht und immer häufiger hört man die Meinung, dass die im Körper gebildeten, aber auch von aussen zugeführten Östrogene unterschiedlich weiter verwendet werden können: dabei gibt es solche Abbauprodukte, die die Brust schützen und solche, die sie eher belasten. Je nach dem, in welche Richtung der weibliche Körper das Östrogen weiter umbaut, ist die Frau geschützter oder gefährdeter für das Mammakarzinom – so eine der dzt.gängigen Thesen. Der Östrogenumbau kann durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden. Werden z.B. Östrogene mit einem bestimmten künstlichen Gelbkörperhormon gleichzeitig verordnet, so verändert das die weiteren Schicksale des Östrogens. Damit wäre auch erklärt, warum bei manchen Gelbkörperhormonen das Brustkrebs-Risiko anstieg, lässt man diese jedoch weg, so sinkt das Risiko. Auch Alkohol, Nikotin und UV-Bestrahlung vertragen sich schlecht mit einer Hormonsubstitution, da sie die „Metabolisierung“ (weiterer Umbau) beeinflussen und möglicherweise Nachfolgeprodukte entstehen lassen, die für die Brust schlecht sind.

L. Die Elektronik der Östrogene

Das Leben ist Elektronik – die Bewegung von Elektronen erzeugt in den Mitochondrien Energie und diese Energie – das ATP – verleiht der toten Materie den Lebensodem. Elektronik ist nicht nur das Geheimnis dessen, was wir als Leben bezeichnen, sondern sie baut viele Bestandteile auf und ab, welche durch das ATP bewegt werden. Durch die Pendelbewegungen der Elektronen sind letztendlich auch die Grundbausteine des Lebens entstanden.
Auch an die Geschlechtshormone binden sich Elektronen und verlassen sie wieder und mit ihnen auch Wasserstoff und Sauerstoff, wodurch jene berühmten OH-Gruppen an die Hormone andocken, die immer wieder neue Hormone entstehen lassen, sind letzten Endes auch die Urformen der Geschlechtshormone entstanden.

Alte Verbindungen sind einfach aufgebaut – und das Östrogen ist ein ganz alter Stoff, dessen Vorläufer im großen und ganzen – regenwurmförmig – aus einem Faden zweier einfacher Elemente besteht, nämlich aus Kohlenstoff und Wasserstoff. Als die Sauerstoffspannung auf unserem Planeten anstieg und die Grenze von 0.2% überstieg, gesellte sich mit Hilfe der Elektronen ein Sauerstoff-Atom an den regenwurm-förmigen Faden, der sich – entsprechend biophysikalischer Gesetze – plötzlich zu formen begann und das Vorläufermolekül aller Geschlechtshormone entstehen ließ. Durch dieses Hinzufügen von Elektronen und Sauerstoff war der Evolution ein großer Wurf gelungen, die Geschlechtshormone sind dadurch entstanden und Mutter Natur liess von nun an nicht mehr locker, sie führte weitere OH-Gruppen dem schon entstandenen Östrogen, dem Progesteron und dem Testosteron zu, wodurch eine enorme Diversifizierung stattfand. Die Evolution hatte so viele neue Hormonverbindungen entstehen lassen.

Das Östrogen hat 17-Kohlenstoff-Atome und an manchen dieser Positionen können sich Elektronen und OH-Gruppen ankoppeln, wodurch eben neue Hormone entstehen. Zwei Positionen im Östrogen-Ring sind für das weitere Schicksal des weiblichen Geschlechtshormons von besonderer Bedeutung. Durch die kleine Modifizierung- ein OH-Rest da oder dort – wird das Schicksal des im Eierstock gebildeten Östrogens besiegelt. Bekommt das 17-Beta-Östradiol, das von den Eierstöcken freigesetzt wird, im Körper an der so genannten Position 4 eine OH-Gruppe, dann wird es damit zum Östrogen der Fortpflanzung und der Reproduktion. Es regt den weiblichen Körper vermehrt zu Höchstleistungen an – das hat Vorteile, aber auch Nachteile. Das 4-Hydroxyöstrogen, das eben an der Position 4 eine Hydroxyl-Gruppe angehängt bekam, besitzt eine sehr starke Östrogenwirkung in verschiedenen Zellen, es fördert die Einnistung des Früh-Embryos in der Gebärmutter und bereitet damit die Schwangerschaft vor.

Während des Eisprungs kommt es zur Freisetzung der Eizelle aus den Eibläschen, die Eizelle wandert langsam den Eileiter bergab, in Richtung Gebärmutter; während dieser Reise begegnen ihr – sofern ein Geschlechtsverkehr stattgefunden hat – Samenzellen, befruchten sie im Eileiter und lassen sich dann in Richtung Gebärmutterschleimhaut transportieren, wo sie sich einnistet – die Schwangerschaft kann beginnen. Um die Gebärmutterschleimhaut für diese Hochzeit vorzubereiten, muss sie mit einem besonderen Hochzeitsputz versehen, aufgebaut und für den Empfang des Früh-Embryos ordentlich vorbereitet werden. Dies geschieht mit Hilfe des 4-Hydroxyöstrons, das im Eierstock gebildete Östrogen verändert sich nur ganz wenig – eine OH-Gruppe wird an der Position 4 angehängt und damit hat das Hormon eine intensivere Wirkung zur Hochzeitsvorbereitung der Gebärmutterschleimhaut. Nistet sich der Früh-Embryo dort ein, so benötigt er Nährstoffe, Blut und Sauerstoff – die Gebärmutterschleimhaut muss dafür adjustiert, mit neuen Blutgefäßen versorgt und mit schnell arbeitenden Zellen ausgestattet werden. Dies ist das Geschäft des 4-Hydroxyöstrons, es bereitet alles für die Schwangerschaft vor.

Tritt allerdings – aus welchen Gründen auch immer – keine Schwangerschaft ein, so werden die Einnistungs-und Hochzeitsvorbereitungen gestoppt, es wäre eine Verschwendung von Energie, wenn Vorkehrungen für eine Schwangerschaft getroffen würden, die gar nicht in Sicht ist. Deswegen muss die Gebärmutter wieder eingebremst werden und dafür wird wahrscheinlich das Eierstocksöstrogen an einem anderen Ort mit einer OH-Gruppe versehen, nämlich an der Position 2. Dadurch ändert sich die Eigenschaft des neuen Östrogens vollständig. Es fördert nicht mehr das Wachstum neuer Blutgefäße, sondern im Gegenteil, es hemmt sie und beruhigt auch die Zellen der Gebärmutterschleimhaut, sie werden in Ruhe-Position gebracht.

M. Ying-Yang-Mechanismus der Östrogene

Langsam löst sich die Medizin von einem alten Irrglauben: Dass es letztendlich nur die von den Drüsen gebildeten Hormone wären, auf die unser Organismus wartet und die die bekannten Aufgaben erfüllen. Die Wirklichkeit ist viel differenzierter und komplexer: Die Organe unseres Körpers verarbeiten das in den Geschlechtsdrüsen gebildete Östrogen, das Progesteron und das Testosteron weiter und machen daraus jene Wirkstoffe, die sie im Augenblick notwendig brauchen. Ein eleganter Ying-Yang-Mechanismus ist dabei zu beobachten: Erfüllt ein Nachfolgehormon (ein Metabolit) bestimmte Aufgaben in einem Organ, so sorgt dieses sofort dafür, dass ein anderes Nachfolgehormon die notwendige Balance einstellt und verhindert, dass die Wirkung des anderen Hormons ausufert und überbordet. Das alte chinesische Prinzip des Ying-Yang findet sich demnach auch bei den Eierstockshormonen wieder, beim Östradiol genauso wie beim Progesteron. Und diese Balance wird durch die Hydroxylierung an verschiedenen Atom-Positionen des Östradiolmoleküls möglich. Tritt an der Position 4 des ovariellen 17-Betaöstradiols die berühmte Wasserstoffgruppe, die durch Elektronenflüsse vorbereitet wird, so ist die Fortpflanzung, die Reproduktion angesagt. Das 4-Hydroxyöstron ist der Hormonmetabolit der Vermehrung. Dafür werden die Zellen angeregt, mitunter Höchstleistungen zu vollbringen, neue Blutgefäße werden geschaffen, ein schnelleres Zellwachstum kann beginnen – alles Voraussetzung für das Wachstum des Kindes und für den Beginn der Schwangerschaft, der ein Wunder des weiblichen Körpers darstellt.

Der Gegenspieler des 4-Hydroxyöstron hingegen, die andere Seite der Medaille, ist das 2-Hydroxyöstron. Es baut die Blutgefäße wieder ab und bremst die Zellen des weiblichen Körpers ein. Dieser Ying-Yang-Mechanismus ist einerseits für die hohen Leistungen der Organe des weiblichen Körpers verantwortlich, andererseits ist dadurch auch sicher gestellt, dass durch ein Zuviel an Leistung der weibliche Körper nicht Schaden erleidet. Denn dort, wo viel Leistung erbracht wird, dort ist auch die Irrtumsanfälligkeit höher. Die permanente Balance zwischen Leistung – und Sparen ist für die Frauengesundheit von enormer Bedeutung.

Das 4-Hydroxyöstron regt Blutgefäße an, neu zu sprossen, es erhöht die Teilungsrate der Zellen und es hat eine höhere Affinität zur D N A, an die dieses Östrogen sich direkt anlehnen kann, wodurch der Lebensfaden in der Zelle Veränderungen unterworfen wird. Dies alles ist der Preis für die Höchstleistung, die das 4-Hydroxyöstrogen kann. Diese Höchstleistungen – verstärkte Zellteilung, mehr Blutgefäße, etc. – können vom Organismus missbraucht werden, nämlich wenn es nicht darum geht, eine Schwangerschaft zu etablieren, sondern wenn eine bösartige Geschwulst sich dieser Steuerungsmechanismen der Schwangerschaft bedient. Schwangerschaft und bösartige Tumore haben – so furchtbar das klingt – manches gemeinsam: eine starke Wachstumstendenz findet sich bei beiden, neue Blutgefäße bildet der Tumor genauso wie der Frühembryo und das rasante Einwachsen des Mutterkuchens in die Gebärmutterschleimhaut ähnelt in vielen dem Infiltrationsbestreben von Karzinomen. Die Schwangerschaft folgt einem hohem Ordnungsprinzip und ist in der Lage, Zellen und deren Wachstums abzuschalten, wenn die gewünschte Größe erreicht ist. Anders beim Malignom, ihm fehlt dieser Schalter, ein ungeordnetes Wachstum führt schließlich zum Ausfall vieler Organe.

Die Medizin ist dzt. intensivst bemüht, alles zu tun, damit vor allem in der Postmenopause die Östrogenveränderung nicht so ablauft, wie sie für eine Schwangerschaft notwendig ist – mit neuen Blutgefäßen und mit einem starken Wachstum.

N. Uralte Schalter beeinflussen den Östrogen-Umbau:

Wo sitzt im weiblichen Körper der Dirigent, der bestimmt, an welcher Stelle das Östrogen hydroxyliert wird, ob es als Wachstumsöstrogen oder als Ruhe-Östrogen aktiv werden soll?
Genauso wie das 17-Beta-Östradiol zu den Uralt-Verbindungen unseres Planeten gehört (schon deswegen kann es kein Gift sein, weil es sonst kaum auf eine derartig lange Geschichte zurückblicken könnte), sind auch jene biochemischen Schalter, die unterschiedliche OH-Gruppen an das alte Östrogen anbringen können, von archaischem Alter. Sie tragen einen unaussprechlichen Namen, nämlich „cytochromale P-450 Enzyme“, was einerseits besagt, dass sie färbig reagieren (Cytochrom) wenn ein Licht der bestimmten Wellenlänge (450 Nanometer) auf sie trifft. Von diesem „Glühwürmchen-Effekt“ bekamen sie schlussendlich ihren Namen und ihre Aufgabe ist es, durch Hilfe der Elektronen das älteste Element unseres Kosmos, den Wasserstoff, mit dem energiereichen Sauerstoff, an unterschiedliche Verbindungen zu addieren – so z.B. an die Geschlechtshormone, wodurch immer neue Hormonarten entstehen. Wie bei vielen alten Familien, gibt es auch bei den cytochromalen P-450 Enzymen unzählige Mitglieder, die immer nur die eine Aufgabe haben, OH-Gruppen anzuhängen oder zu entfernen und dies auch an verschiedenen Stoffen und in verschiedenen Positionen vornehmen.

Am Östrogen-Molekül machen sich vor allem zwei Familienmitglieder wichtig: Die Form 1A und die Form 1B. Die 1A-Ausgabe der cytochromalen Enzyme (deswegen heißt sie auch CYP 1 A) hängt an der Position 2 des Östrogen-Atoms ein Wasserstoff an, es ist demnach jenes Enzym, das das Ruhe-Östrogen schafft. Die 1B-Form hingegen hydroxyliert an der Position 4 und lässt damit das Östrogen der Fortpflanzung entstehen, nämlich 4-Hydroxyöstron.

O. Wie Pflanzen den Östrogen-Abbau beeinflussen

Hat man in der Postmenopause die Wahl, den Weg des Östrogens zu begleiten, zu beeinflussen und mitzuentscheiden, welche weiteren Östrogen-Hormone sich bilden, so wird man sich für das 2-Hydroxy eher entscheiden als für die 4-Hydroxylierte Form. Denn die Höchstleistungen der Schwangerschaft, die das 4-Hydroxyöstron vermitteln, sind in der Postmenopause nicht mehr gefragt. Im Gegenteil, je ruhiger und je statischer das Gewebe ist, umso besser ist es für den Organismus der Frau. In Mutter Natur Schatzkästchen finden sich manche Substanzen, welche dem Körper den Auftrag, geben, mehr in die ruhigere 2-Hydroxyöstron-Form das Eierstockshormon umzuwandeln.
Leinsamen z.B. ist eine in dieser ihrer Wirkung noch nicht ganz ernst genommene Pflanze, welche die Zelle überredet, mehr ruhiges 2-Hydroxyöstron zu bilden. Auch Isoflavone, die in Soja und Rotklee vorkommen, hemmen jenes cytochromale Enzym, das die Gebärmutterschleimhaut, aber auch andere Zellen zu Höchstleistungen anregt. Sie verschieben demnach das Gleichgewicht der östrogenen Verbindungen in Richtung 2 Hydroxyöstron. Gleiches gilt auch für den Hauptbestandteil des grünen Tees, dem Epigallokatechingallat sowie dem 3-Indol-Carbinol, jenee Inhaltsstoffe, die Broccoli so gesund machen. Beide Nahrungsergänzungsstoffe beeinflussen das Umbau-Konzept des weiblichen Körpers und geben dem 2-Hydroxyöstron den Vorrang.
Üblicherweise kommt der Schutzmechanismus, den man sowohl dem Broccoli wie auch dem Grüntee zuschreibt, von dieser Steuerungsfunktion. Die Medizin überlegt dzt., ob man nicht unter der Pille oder auch während einer Hormonersatztherapie gleichzeitig diese Nahrungsergänzungen anraten soll, um die günstigen Östrogennachfolge-Produkte zu fördern.

P. Genetische Variationen und Östrogenabbau

Viele Fragen konnte die Medizin in der Vergangenheit nur unzureichend beantworten. Durch die Dechiffrierung des genetischen Codes hat man nicht nur alle Gene, die hinter den Proteinen stehen, identifiziert und erkannt, sondern auch kleine Unterschiede in den einzelnen Genen entdeckt, die für eine verstärkte oder für eine verringerte Enzymaktivität mitverantwortlich sind. So können die Gene für CYP 1 A und CYP 1 B in unterschiedlicher Ausformung vorliegen – mit der Folge, dass sie schneller oder langsam arbeiten. Dies erklärt letzten Endes auch, warum manche Frauen im das Eierstocksöstrogen eher in Richtung 2-Hydroxyöstron oder in Richtung 4-Hydroxyöstron verdauen. Das Gen für CYP 1 B ist in zahlreichen Organen aktiviert, in der Prostata, in der Brust, im Eierstock, im Darm, in der Lunge, in der Niere und in der Blase. In Krebsgeschwülsten tritt es auch auf – und meist im höheren Ausmaß. Das Gen für CYP 1 B 1 hängt am Chromosom 2, es besteht aus 5 Teilen, in denen kleine Veränderungen für eine verstärkte Aktivität verantwortlich sein können. Im Detail ist es zwar verwirrend, trotzdem soll ein Beispiel gewagt sein. Die einzelnen Basen der Gene sind durchnummeriert und in Position 4326 findet sich ein Gen-Baustein, der bei manchen Frauen ausgetauscht ist. Statt der Base Cytosin, einem D N A – Bestandteil, findet sich die Base Guanin. Diesen Unterschied – und davon gibt es hunderttausende bei jedem von uns, bemerkt man normalerweise nicht: die Konsequenz dieses Tauschgeschäftes läuft meist unbemerkt ab, hat aber in unserem Fall zur Folge, dass dieses Enzym CYP 1 B 1 vermehrt gebildet und dadurch auch verstärkt das Östrogen in das 4-Hydroxyöstron umwandelt. Dabei tut sich dieser kleine Gen-Unterschied mit anderen Gen-Veränderungen zusammen, wodurch ein so genannter „Haplo-Typ“ entsteht.

Obwohl dzt.noch nicht schlüssig ein erhöhtes Brustkrebs-Risiko von der Aktivitätssteigerung dieses Enzyms alleine hergeleitet werden kann, kristallisieren sich doch Risiko-Konstellationen heraus, bei denen eine derartig vermehrte CYP 1 B1-Aktivität tatsächlich auch mit einer Mammakarzinom-Risikoerhöhung verbunden ist. Dazu zählt vor allem das Rauchen. Die Schadstoffe der Zigarette vermehren die Enzymaktivität – ähnlich übrigens wie das Dioxin; liegt CYP 1B1 schon von Haus aus – durch den kleinen genetischen Unterschied – in einer höher aktiven Form vor, dann wird es ein Problem, wenn das von Haus aus schneller arbeitende Enzym durch Nikotin bzw. den Zigaretten-Smog noch weiter angeregt wird.

Eine gesteigerte CYP 1 B 1 – Aktivität ist vor allem bei übergewichtigen Frauen schlecht. Gibt es im Körper zu viele Fettzellen, steigt gleichzeitig auch der Östrogenspiegel im Gewebe an; wird dieses Gewebs-Östrogen – durch eine vermehrte CYP 1-B1 Aktivität – vor allem in das 4-Hydroxyöstron umgewandelt, dann bedeutet auch das einen Risikofaktor.

Rezente wissenschaftliche Daten deuten darauf hin, dass in Myomen eine erhöhte 4-Hydroxy-Östrogen-Konzentration zu finden ist, man nimmt an, dass CYP 1 B1 und damit jenes 4-Hydroxyöstrogen, das vermehrt die Blutgefäße sprießen und die Mitose anregen lässt, auch an der Entstehung von Myomen mitinvolviert ist.

Auch das CYP 1 A 1 hat Gen-Varianten, vor allem in der Position 3801 und in der Position 2455. Beide kleinen Unterschiede im D N A – Faden bewirken, dass auch dieses Gen aktiver ist und vermehrt CYP 1 A 1 herstellt, was prima vista als Vorteil anzusehen wäre, denn dadurch entsteht mehr 2 – Hydroxyöstron, das die Gebärmutterschleimhaut, aber auch andere Organe im weiblichen Körper beruhigt.

Allerdings trügt hier der Schein; denn das CYP 1 A 1 verändert nicht nur das Eierstocks-Östrogen und schafft damit ein neues Hormon, ähnliches vermag es auch mit Schadstoffen, die über Zigarettenrauch aufgenommen werden. Rauchen ist von Haus aus schädlich, allerdings kann es besonders gefährlich werden und zwar durch das Enzym CYP 1 A 1. Es aktiviert krebserregende Stoffe.
Der schädliche Effekt des Rauchens wird auch während der Schwangerschaft durch CYP 1 A 1 vermittelt. Arbeitet dieses Enzym auf Grund einer genetischen Variation schneller, dann entstehen mehr Schadstoffe, die Plazenta wächst nicht mehr weiter und das Wachstum des Kindes ist reduziert.
Erst langsam fliessen die Kenntnisse des humanen Genoms in die ärztliche Sprechstunde ein. Am CYP 1 A 1 und CYP 1 B 1 Gen kann jedoch schön demonstriert werden, wie das Wissen um ihre Aktivitätsform eine Beratung der postmenopausalen Frau möglich macht. Liegt bei einer Patientin das CYP 1 B 1 – Gen in einer höheren Aktivitätsform vor, so muss bei einer Hormonersatztherapie auf eine mögliche gleichzeitige Umweltbelastung, aber auch auf die Menge der endogenen Östrogenbildung geachtet werden. Es gibt Menschen, die von Haus aus mehr Östrogene bilden – werden diese vermehrt in 4 – Hydroxyöstron umgewandelt, so kann sich das ungünstig auf hormonabhängige Organe, wie die Brust und die Prostata, auswirken. Auch eine Verstärkung der so genannten Aromatase-Aktivität, also jenes Enzyms, das Östrogene im Körper herzustellen imstande ist, sollte vermieden werden. Alkohol z.B. ist ein starker Aromatase-Initiator.

CYP 1 B 1 bildet nicht nur 4-Hydroxyöstron, sondern aktiviert auch Schadstoffe, welche in der Umwelt vorkommen. Ist demnach eine Frau doppelt belastet, durch ein hohes Östrogen und durch Umweltgifte, so hat dies dann einen besonders ungünstigen Effekt, wenn das Aktivierungsenzym CYP 1 B 1 auf Grund der genetischen Variation stärker arbeitet.

Bei der erhöhten CYP 1 A 1 Form muss auf Umweltbelastungen Acht gegeben werden. Die in der Natur vorkommenden Substanzen, welche die cytochromalen Enzyme anregen, können für die Hormonersatztherapie differenziert genutzt werden, wobei man in der 2. Lebenshälfte die CYP 1 A 1 Form eher aktiviert und die CYP 1 B 1, die Hochleistungen für die Schwangerschaft ermöglicht, eher bremst. Dies kann mit Hilfe von Epigallocatechingallat, mit Isoflavonen, aber auch mit Selen geschehen, welches andere Entgiftungsverfahren zu Höchstleistungen anregt.

Q. Hormone müssen ausgeschieden werden:

Wenn die Eierstöcke der Frau Östrogene zu bilden beginnen, steht diesen Hormonen ein langer Weg im weiblichen Organismus bevor. Welche Wirkung das Östrogen in der Zelle tatsächlich hat, darüber entscheiden auch unterschiedliche Rezeptoren (Eingänge für das Hormon), welche von den Hormonen besetzt werden können. Sie gleichen einem Tor, das die Östrogene in die Zelle zur D N A lässt. Unterschiedliche Tore bringen das gleiche Hormon an unterschiedliche Plätze, wodurch eine unterschiedliche Wirkung entsteht.

Darüber hinaus kann ein und das gleiche Hormon in unterschiedlichen Organen verschiedenartig weiter verwertet werden, je nach dem, wo Zellen die berühmte OH-Gruppe anhängen, entstehen Verbindungen mit differenziertem Effekt. Und alles gehorcht dem alten Prinzip des Ying-Yang: die Hormonwirkungen müssen ausbalanciert bleiben. Ein erzielter Effekt ruft sofort Gegenwirkungen hervor, unterschiedliche Rezeptoren und verschiedene Abbauprodukte sorgen für dieses Gleichgewicht unseres Lebens. Am Ende ihres Weges müssen Hormone aber auch den Körper verlassen und auch dies steht mit der Entstehung der Hormon-Neubildung in einem balancierten Verhältnis. Um durch alle Membranen des Körpers schnell durcheilen zu können, besitzen die Geschlechtshormone eine ölige Konsistenz, Fetten vergleichbar –immerhin leiten sie sich vom Cholesterin ab – . Um unseren Körper durch die Niere zu verlassen, müssen sie in Wasser lösbar gemacht werden – dafür benützt der weibliche Körper trickreiche Hilfsstrategien. Einerseits hängt er an die Eierstockshormone einen Schwefelsäurerest an, dadurch kann sich das Hormon im Wasser zu lösen beginnen, andererseits gibt es das berühmte Prinzip der Klebeplaketten, die nur aus drei einzelnen Atomen bestehen, aus 2 Wasserstoff- und einem Kohlenstoffatom. Dieser „Methylrest“ kann auf Gene geklebt werden, auf die Gen-Verpackung, aber auch auf Hormone. Letztere werden dadurch ausscheidungsfähig. Vergleichbar ist dieses Prinzip mit der Markierung von Bäumen in einem Wald. Dort wird ebenfalls mit kleinen Plaketten jener Baum bezeichnet, der gefällt werden soll. Bekommt das Östrogenmolekül ebenfalls eine derartige Plakette, dann ist es zur Ausscheidung bestimmt. Vor allem das stark wirksame 4-Hydroxyöstron muss zügig aus dem Körper der Frau eliminiert werden. Seine starke Zellanregende Wirkung wird zwar vom 2-Hydroxyöstron neutralisiert, trotzdem soll dieses Hormon nicht zu lange im weiblichen Körper verbleiben. Hier tritt die Folsäure auf dem Plan, von der man weiß, dass sie eine Schutzfunktion für Organe und Zellen ausübt. Sie regt ein Entsorgungsenzym mit unaussprechlichen Namen an, nämlich die Katechol-O-Methyl-Transferase an. Wie der Name vermuten lässt, transferiert dieses Enzym das berühmte „Pickel“, den Methylrest auf unterschiedliche östrogene Verbindungen, wodurch diese dann ausgeschieden werden können. Folsäure regt die Aktivität dieses Entsorgungsenzyms an, dadurch wird das Hormon schneller aus dem weiblichen Körper beseitigt. Das Gen für dieses Enzym variiert ebenfalls von Frau zu Frau, demnach entsorgt es schneller oder langsamer; die Zufuhr von Folsäure kann als besonders sinnvoll dort erscheinen, wo ein langsam arbeitendes Entsorgungsenzym angeregt werden muss.

R. Der Blick in die Zukunft:
Kann durch Gen-Untersuchung die Hormonersatztherapie sicherer gemacht werden?

Obwohl wir Menschen alle die gleichen Gene besitzen, kommen diese von Mensch zu Mensch in großer Unterschiedlichkeit vor; diese genetische Variation erklärt, warum manche Menschen ein Medikament besser vertragen als andere, warum ein-und die gleiche Pille von manchen Frauen geschätzt, von anderen wegen der Nebenwirkungen jedoch abgelehnt wird. Die genetische Unterschiedlichkeit kann man am besten mit einem unserer Organe vergleichen, z.B. mit der Nase: Es gibt nur einzige menschliche Nase, und trotzdem variiert sie in der Bevölkerung stark. Etwas vereinfachend könnte man die unterschiedlichen Nasen in Gruppen einteilen: in große Nasen, in spitze Nasen, in kleine Nasen und in Trompetennasen. Das gleiche gilt auch für die Gene, es gibt – um ein Beispiel zu nennen – nur ein Insulin-Gen, trotzdem variiert es zwischen einzelnen Individuen stark: Manche Unterschiedlichkeiten kommen in der Bevölkerung gehäuft vor, das entspräche dann einem bestimmten Nasentyp. Wäre dies nur ein Schönheitsmerkmal, wie bei den unterschiedlichen Nasenformen, so würde es die klinische Medizin nicht sehr interessieren. Allerdings entdeckte die Genom-Medizin, dass manche Gen-Varianten (um bei der Nase zu bleiben: z.B. die Ne a la trompet) mit charakteristischen Funktionsveränderungen im menschlichen Körper assoziiert sind. Die Unterschiedlichkeit in den Genen bewirkt auch eine Unterschiedlichkeit in den Proteinen, den Bausteinen der Zelle und das wiederum, dass in manchen Situationen die Zelle anders reagiert als wenn diese Veränderung nicht vorhanden wäre.
Für die Hormonersatztherapie tragen manche der Gen-Varianten wertvolle Informationen in sich, die die Beratung und die Durchführung der Hormonersatztherapie sicherer machen.

1. Die Gen-Variante im so genannten Faktor V

Es muss vor 80.000 Jahren gewesen sein, als die damals lebenden Menschen ein großes Problem hatten. Bei der Geburt verloren manche Frauen so viel Blut, dass sie starben, eine Medizin, die das verhindert hätte, war lange noch nicht in Sichtweite. Ob es Zufall oder eine gerichtete Anpassung war, lässt sich heute nicht mehr erkennen, allerdings ereignete sich einmal in jenem Gen, das die Bildung von Blutgerinnsel reguliert, eine zufällige Mutation, eine neue Gen-Variante war entstanden und diese hatte es in sich; den Frauen, die sie besaßen, bluteten weit weniger, die Gerinnung trat schneller ein und Wundflächen verschlossen sich rascher, sodass dadurch auch die Müttersterblichkeit sank. Dies bewirkte einen hohen Überlebensvorteil, denn die Trägerinnen dieser Gen-Variante verbluteten weit weniger oft. Und außerdem scheint dieser kleine Gen-Unterschied mitverantwortlich zu sein, dass Frauen auch schneller schwanger werden – dies kann zumindest heute bei der künstlichen Befruchtung beobachtet werden. Durch diesen Überlebensvorteil breitete sich die Gen-Variante in kurzer Zeit rasch aus. Derzeit sind es 2-5 % der Menschen, die diesen Polymorphismus in sich tragen.
Heute ist Gott sei Dank die Gefahr des Verblutens bei der Geburt dank medizinischer Hilfen in vielen Ländern gering, wodurch der kleine Nachteil immer mehr hervortritt, den der Vorteil dieser Gen-Variante mit sich trägt. Durch die schneller eintretende Blutgerinnung wird zwar die Blutungsneigung und die Verblutungsgefahr reduziert, andererseits bilden sich die Blutgerinnsel nicht nur dort, wo der Körper die Blutgefäße nach der Geburt oder nach einem Unfall schnell verschließen muss, sondern mitunter auch im gesunden, nicht verletzten Gewebe.
Dadurch steigt die Gefahr der Thrombose, besonders wenn noch andere Risikofaktoren hinzutreten, wie Übergewicht oder Rauchen. Auch Östrogene gehören in diesen Risikokatalog, sie regen von sich aus die Bildung mancher Gerinnungsfaktoren in der Leber an, als wollten sie förmlich schon der bei der Geburt auftretenden Verblutungsgefahr entgegen treten. Deswegen sind Frauen in der Schwangerschaft und im Wochenbett besonders Thrombose gefährdet, wenn sie diese Gen-Variante haben. Unter der Pille steigt das Risiko, eine Thrombose zu bekommen, bei Trägerinnen dieses Polymorphismus sprunghaft an. Bei Risikopatienten, die schon einmal an einer Thrombose litten oder in einer belasteten Familienanamnese stehen, wird mitunter diese Gen-Variante zu untersuchen vor Verschreibung der Pille angeraten. Bewahrheitet sich diese Gen-Variante, so soll man auf andere Formen der Empfängnisverhütung (z.B. Spirale) ausweichen. Ähnlich ist es bei der Hormonersatztherapie, auch dadurch steigt das Thromboserisiko an, wenn Frauen den Faktor V Leiden-Polymorphismus – so heißt diese Gen-Variante – tragen. Natürlich muss man nicht sofort eine Gen-Untersuchung machen – das Gespräch erweist sich auch hier als das wichtigste diagnostische Verfahren. Waren die Patientinnen, die wegen einer Hormonersatztherapie den Arzt aufsuchen, schon schwanger oder nahmen sie über eine längere Zeit die Pille ohne dass eine Thrombose auftrat, so wird man die Bedeutung dieser Gen-Variante nicht überschätzen und deswegen eine diesbezügliche Analyse auch nicht vornehmen. Gibt es allerdings in der Biographie der Frau Hinweise auf Thromboseneigung, dann kann man vor der Hormonersatztherapie diese Gen-Variante evaluieren. Sollte sie sich bewahrheiten, wird man im Rahmen der Hormonersatztherapie zunächst versuchen, nur lokal die Hormone zuzuführen, wenn organspezifische Beschwerden die Frauen belasten. Von einer Östrogenapplikation in Tablettenform wird man bei Faktor V Polymorphismus-Trägerinnen absehen.

2. Die Gen-Variante im sogenannten Faktor II

Auch diese Gen-Variante verschieb das Blut-Gleichgewicht in Richtung Gerinnung, verhindert dadurch die Blutungsneigung bei Unfällen und Geburten, erhöht aber andererseits auch das Risiko unter der Pille, in der Schwangerschaft und unter der Hormonersatztherapie eine Thrombose zu bekommen. Diese Gefahr ist besonders hoch, wenn beide Gen-Varianten zusammen kommen, die für den Faktor V und für den Faktor II. Amerikanische Wissenschaftler empfehlen, dass in solchen Fällen bereits vor der Schwangerschaftshalbzeit und noch 3 Monate nach der Entbindung eine Blutverdünnung durchgeführt werden soll. Bei großen Untersuchungen, die die Sicherheit der Hormonersatztherapie überprüfen, zeigte sich tatsächlich, dass das Thromboserisiko in den ersten 2 Jahren nach Beginn der Hormonersatztherapie höher war, als bei Frauen, die keine Hormone einnahmen. Allerdings trat die Komplikation rasch nach Beginn der Hormonzufuhr auf – dies ist ein Hinweis auf eine genetisch bedingte Thromboseneigung, die eintritt, wenn Hormone verabreicht werden. Die klinische Konsequenz dieses Polymorphismus ist ähnlich wie beim Faktor V. Mit der oralen, d. h. durch die Leber gehende Verschreibung von Hormonen, wird man zurückhaltend sein.

3. Gen-Variante im Plasminogen-Aktivator – Inhibitor-Gen

Auch dieses Protein verstärkt die Gerinnungsfähigkeit des Blutes, in dem es jene Systeme hemmt, die normalerweise Blutgerinnsel auflösen. Und auch diese Gen-Variante scheint im Rahmen der Evolution aufgetreten zu sein, um das Verblutungs-Risiko des Menschen zu senken. Dass hunderttausende Jahre später dadurch ein anderes Risiko steigt, nämlich dass der Thrombose, wurde von Mutter Natur sicher als das kleinere Übel betrachtet.

Nicht nur bei Verletzungen, auch bei einer veränderten Auskleidung unserer Blutgefäße, bilden sich kleine Gerinnsel, die der Körper aber sofort löst – über das Plasminogen-Aktivator-System. Den Ying-Yang-Mechanismus gibt es also auch hier – um zu vermeiden, dass auch lebensrettende Gerinnsel aufgelöst werden, existiert ein entsprechender Hemm-Faktor – Inhibitor genannt. Während des Alterungsprozesses bildet der Körper vermehrt diesen Hemmstoff, möglicherweise ist dies auch ein Grund für häufigeres Auftreten von Thrombosen im Alter. Ein kleiner genetischer Unterschied im Gen kann zu einer Veränderung des entsprechenden Proteins führen, der Hemmstoff, der Plasminogen-Aktivator-Inhibitor, wird so stärker gebildet und hemmt damit auch den normalen Abbau von Blutgerinnsel. Dadurch wird die Gefahr einer Thrombose – letztendlich auch durch den kleinen Gen-Unterschied bedingt – verstärkt.
Die Östrogenzufuhr normalisiert die verstärkte Gen-Wirkung dieses Proteins. Im Unterschied zum Faktor V und zum Faktor II-Polymorphismus ist diese Gen-Variante fast ein Grund, Hormone zu geben, da sie die Durchflussgeschwindigkeit des Blutes verbessert. Steigt während einer Hormonersatztherapie das Thromboserisiko bei Polymorphismusträgerinnen des Faktor V und des Faktor II, so sinkt es durch das Östrogen beim Plasminogenaktivator-Inhibitor-Polymorphismus.

4. Die Gen-Varianten der Entsorgungs-Enzyme

CYP 1 A1, CYP 1 B1 und COMT

Welche weitere Aufgaben das Eierstocköstrogen im weiblichen Körper zu erfüllen gedenkt, hängt letztendlich von der Geschwindigkeit ab, mit denen es an verschiedenen Positionen hydroxyliert wird. Bekanntlich wird durch CYP 1 A 1 das 17-Betaöstradiol des Ovars vermehrt in das „beruhigende“ Östrogen-Nachfolgeprodukt 2-Hydroxyöstron verwandelt. Mehrere Unterschiede in Gene sind für eine schnellere Enzymaktivität und damit auch für eine vermehrte Umwandlung in das für die postmenopausale Frau sicher günstigere 2-Hydroxyöstron verantwortlich. Durch Isoflavone aus Soja und Rotklee wird die Enzymaktivität noch weiter angeregt. Allerdings bearbeitet dieses Enzym nicht nur das Östrogen, sondern auch Schadstoffe, z.B. Dioxin, sowie Komponenten des Zigarettenrauches. Besitzt man jene genetische Variation, die mit einer erhöhten CYP1 A1 Aktivität verbunden ist, so ist das für die Östrogen-Ausscheidung zwar gut, allerdings trifft die Umweltbelastung die Betroffene besonders. Deswegen soll man Gifte der Umwelt, soweit das geht, in besonderer Weise meiden, wenn man CYP 1 A1 in einer genetisch schnelleren Variante mit sich trägt.

Auch das CYP 1 B 1 kann eine höhere Aktivität entfalten, wenn einzelne Basenpaare in seinem Gen ausgetauscht sind. Dies führt zu einer verstärkten Umwandlung des 17-Betaöstradiols in das 4-Hydroxyöstron, das neue Blutgefäße sprießen und die Zellaktivität anregen lässt. Broccholi und Grüntee hemmen CYP1B1 und verschieben damit die Umwandlung des Östrogens zu Gunsten des milden 2-Hydroxyöstrons, was für die postmenopausale Frau, die keine Schwangerschaft mehr anstreben kann, (für Einnistung und Schwangerschaft ist das 4-Hydroxyöstron wichtig), sinnvoller ist.

In Zukunft könnte es auch bei Patientinnen mit Endometriose und Myomen notwendig werden, auf diese kleinen genetischen Unterschiede zu achten.

Das Entsorgungsenzym, die Catechol-O-Methyltransferase, liegt ebenfalls in einer langsamen und einer schnell arbeitenden Variante vor, der Unterschied ist auch dafür ein Polymorphismus; ein einziger Base-Tausch verändert die Geschwindigkeit des Enzyms. Genveränderungen bewirken ja oft eine veränderte Proteinstruktur, die durch einen Wechsel von Aminosäuren bedingt ist. Dadurch ändert sich auch die Funktion und die Leistungsgeschwindigkeit des Proteins. Befindet sich in einer bestimmten Position bei Catechol-O-Methyltransferase die Aminosäure Valin, so arbeitet das Enzym schnell, ist an der gleichen Position hingegen das Methionin lokalisiert, so ist die Enzymgeschwindigkeit stark reduziert.

Wahrscheinlich hat dies auch für die Psyche eines Menschen Bedeutung, da Signalstoffe des Gehirns, z.B. das Dopamin und das Noradrenalin in unterschiedlicher Geschwindigkeit – je nach der genetischen Variation des Enzyms – eliminiert werden. Die Anfälligkeit für Schizophrenie, aber auch das Abhängigwerden von Drogen, etc., wird mit der Enzymgeschwindigkeit und damit auch mit der genetischen Variation in Zusammenhang gebracht.

Die Nachfolgeverbindungen des Östrogens, das 4- und das 2-Hydroxyöstron, werden vom gleichen Enzym methyliert und entsorgt. Je nach dem, ob das Enzym in der schnellen oder in der langsameren Variante vorliegt, benötigt die Ausscheidung des Östrogens mehr oder weniger Zeit. Ähnlich wie CYP1 A1 und CYP 1B1 durch Isoflavone, durch Isothiozyanate und Epigallokatechingallat moduliert werden können, wird auch die COMT durch Folsäure in Ihrer Aktivität angeregt. Dies scheint vor allem dort sinnvoll zu sein, wo das Entsorgungsenzym in einer langsam arbeitenden Variante vorkommt und in eine schnellere Gangart versetzt werden soll.

Dass die Folsäure dem Herz tut gut, wird seit langem vermutet. Es regt die Katechol-O-Methyltransferase an, vermehrt 2-Hydroxyöstron zu methylieren, wodurch das 2-Medroxyöstrogen entsteht, das ausgeschieden werden kann, das aber auch eine direkte Wirkung auf das Herz hat. Es schützt die Herzmuskelzellen und verhindert eine Vergrösserung des Herzens und einen Verlust an Schlagkraft. Folsäure scheint bei jenen Patienten sinnvoll zu sein, die über ein langsam arbeitendes COMT-Enzym verfügen.

5. Die genetischen Unterschiede in den hormonbildenden Genen und deren Enzyme

Nicht nur die Eierstöcke, auch das Fettgewebe und andere Organe im weiblichen Körper sind in der Lage, Östrogene herzustellen. Das Progesteron und die männlichen Hormone fungieren dabei als Prekursoren, als Vorstufen, aus denen die Zelle das Östrogen formt. Ein wichtiges Enzym, das an der Tür zur Östrogenbildung steht, ist CYP17, welches aus dem Progesteron jene männlichen Hormone synthetisiert, die dann in Östrogen umgewandelt werden können.

Wieviel Östrogene der weibliche Organismus benötigt – ist eine oft gestellte Frage; letztendlich hängt es von der Befindlichkeit ab, vom Rufen und Protestieren einzelner Organe, wird ausreichend Östrogen im Gewebe zur Verfügung gestellt, dann sind bekanntlich die Ausfallserscheinungen im Klimakterium mild.
Nicht jede Frau in den Wechseljahren benötigt Hormone, unabhängig vom Eierstock stellt der weibliche Körper auch in der zweiten Lebenshälfte mitunter ausreichend Hormone her.

Das dafür verantwortliche Enzym bzw. sein Gen, CYP 17, liegt in zwei unterschiedlichen Genvarianten vor:
Eine arbeitet langsamer, die andere schneller. Ver­ständlicherweise wird durch die schnell arbeitende Vari­ante mehr Östrogen im Gewebe gebildet, dementspre­chend klagen diese Frauen weitaus seltener über Hormonausfallsprobleme.

Oft wird von betroffenen Frauen die Frage angespro­chen, ob die beginnenden Wechselbeschwerden toleriert werden sollen, oder ob
eine Hormonersatztherapie sinnvoll erscheint. Die Bereitschaft des Körpers, in unterschiedlichen Geweben selbständig Hormone herzustellen, kann durch diese Genvariante erkannt werden. Frauen mit einem schneller arbeitenden CYP17-Gen haben einfach eine höhere Hormonproduktion und damit auch weniger Wechselbeschwerden. Dies zu wissen kann im Beratungsgespräch sinnvoll sein.

Das Gleichgewicht der Hormonbildung und der Hormon­ausscheidung wird von den Genen gesteuert. Während die Catechol-O-Methyltransferase und die Sulfotransferasen über das Anhängen eines Methyl- bzw. eines Schwefelrestes Östrogene aus dem Körper eliminieren, sind Cyp17 aber auch Cyp19, die „Producer“ der Eierstockshormone. Das Cyp17 leitet die Hormonproduktion in Richtung Testosteron und Östradiol. Ist es auf Grund einer kleinen Genverände­rung höher aktiv, ist die Hormonproduktion stärker.
Das Cyp19 – Produkt, die Aromatase, stellt letztendlich das Östrogen selbst her. Auch hier gehen unterschiedliche Genvarianten mit einer unterschied­lichen Produktionsaktivität einher. Arbeitet auf Grund eines kleinen Genunterschiedes das Aromataseenzym stärker, wird im Gewebe mehr Östrogen produziert. Auch dies hat klinische Konsequenzen: In der Menopause kommt es nicht nur auf die Hormon­produktion des Eierstocks an, sondern auf die Östro­genherstellung in der Brust, im Fettgewebe und in den anderen Teilen des weiblichen Körpers. Dies wiederum hängt davon ab, wie schnell jene Gene arbeiten, die im Gewebe die Östrogene herzustellen vermögen. Manch­mal berichten Patientinnen von eindeutigen Symptomen eines Östrogenüberschusses: Wasser­ansammlungen, Brustspannungen und Venenbeschwer­den. Und trotzdem findet man im Blut keine überhöhten Östrogenwerte. Die Hormonproduktion erfolgt im Gewerbe und wird von entspre­chenden Genen gesteuert. Durch Nahrung und Exercise kann die Hormonbildung im Gewerbe gesteuert werden – eine interessante zukünftige Strategie, die es erlauben wird, die Hormonkonzentration in einzelnen Organen den Bedürfnissen der Frau anzupassen. Alkohol z.B. ist ein starker Stimulator von Cyp19, der Aromatase, die letztendlich das Östrogen bildet. Liegt dieses Enzyme von Haus aus schon in einer rasch arbeitenden Genvariante vor, so wird durch Alkohol die Hormonproduktion weiter angeheizt. Im Gewebe finden sich dann hohe Östrogenmengen, welche mitunter Beschwerden verursachen.

Auf der anderen Seite bietet uns das Königreich der Pflanzen Aromatasehemmstoffe an, die in Pflanzen bzw. in Obstsorten vorkommen. Das Chrysin ist eine den Isoflavonen verwandte Substanz, die man in hoher Konzentration in Passionsfrüchten findet. Sie hemmen die Bildung des Östrogens und gehören zur so genann­ten Stoffklasse der Aromatasehemmer, die von der Medizin – allerdings in Form eines Medikamentes – bei bestimmten Erkrankungen eingesetzt wird. Das man diese Stoffe auch in der Natur wieder findet und damit das Wohlbefinden des weiblichen Organismus verbes­sern wird können, ist neu und muss von der Medizin weiter aufgearbeitet und erforscht werden.

Hormonstörungen richtig zu interpretieren ist nicht leicht, da der Hormonspiegel alleine nicht ausreicht, um man­che von der Patientin beschriebene Probleme richtig einschätzen und erkennen zu können. Deswegen muss kurzfristig der Arzt den weißen Kittel des Mediziners mit dem Rock des Kriminalinspektors tauschen und muss beginnen, einen Indizienbeweis zu führen, verschiedene Aspekte zu berücksichtigen und Details zu sammeln, um dann zur richtigen Diagnose zu kommen. Das ärztliche Gespräch ist der wichtigste Weg zur richtigen Diagnose. Allerdings gilt auch hier Goethes Wort, dass man nur das sieht (und auch nur das erfragen kann) was man weiß. Veränderungen in der Schwangerschaft, nach der Entbindung, die Periodenhaftigkeit von Problemen und der Zeitpunkt des ersten Auftretens jener Symptome, die die Patienten belasten, sind Punkte, die im Eingangs­gespräch berücksichtigt werden müssten.

Hormonuntersuchungen sind eine weitere Hilfe, aller­dings entziehen sich diese der zu schnellen Beurteilung. Ein Hormonbefund ist nicht immer so leicht und schlüs­sig zu deuten, wie das Blutbild. Die Zyklusphase, die zirkadiane Rhythmik, aber auch die Kenntnis der Schwankungsbreiten einzelner Wirkstoffe müssen dabei ins Kalkül gezogen werden.

Die Befunde der Hormonuntersuchung sind nur eine Seite der Medaille und spiegeln nicht die Aktivität, die Bildung und die Ausscheidung in den einzelnen Organen wieder. Hier ist die Kenntnis der Genvarianten mitunter hilfreich, vor allem auch deswegen, weil Gene in ihrer Aktivität beeinflussbar sind.
Wie in der gesamten Medizin, muss man sich auch in der Endokrinologie vor einer „Polypragmasie“ hüten (zu viele Aktionen setzen, zu viele Hormonuntersuchungen anordnen). Oft kann man mit dem Gespräch alleine die richtige Diagnose stellen und das richtige Vorgehen wählen. Entscheidend dabei ist das Wohlbefinden der Patientin. Fühlt sie sich gut, dann kann man davon aus­gehen, dass das hormonelle Gleichgewicht im Lot ist, klagt sie allerdings über Beschwerden, dann muss man sich weiter bemühen, um zu erkennen, warum Probleme den weiblichen Organismus belasten. Und dann soll man in einer Zeit, in der man immerhin auf den Mond fliegt, auch die Methoden der Hormonanalytik und der Molekularmedizin zu Raten ziehen, wenn es die Diagnose verbessert und die therapeutische Beratung optimiert.