[2.2] Hormonuntersuchung
Die endokrine Untersuchung der infertilen Frau muß nicht stereotyp erfolgen, ergibt aber dann einen Sinn, wenn Zyklusunregelmäßigkeiten oder die durch die Basaltemperaturmessung festgestellte Anovulation auf eine hormonelle Ursache hinweisen. Unter den Hormonkandidaten, deren Abklärung im Rahmen des Kinderwunsch-Programmes sinnvoll ist, steht an erster Stelle das Prolaktin.
Prolaktin ist für die Aufrechterhaltung der lutealen Phase notwendig, da die Degraduierung des Progesterons durch das Prolaktin gehemmt wird. Andererseits führt eine Hyperprolaktinämie zu einer Störung der GnRH-Sekretion und damit letzten Endes zur Anovulation und Sterilität. Der Normbereich des Prolaktins liegt zwischen 5–25 ng/ml; seine Beurteilung setzt allerdings die Berücksichtigung gewisser Kautelen voraus: Da der Prolaktinspiegel zirkadian schwankt und in den Nachmittag- und frühen Abendstunden ansteigt, erweist sich die Blutabnahme zur Prolaktinbestimmung, um standardisierte Werte zu bekommen, am Vormittag zwischen 7 und 10 Uhr als sinnvoll. Weiters muß man auch die Zyklusphase in die Interpretation miteinbeziehen, da in der Lutealphase generell mit einem erhöhten Prolaktinwert – dieses dient ja, wie bereits gesagt, der Aufrechterhaltung der Progesteronkonzentration – zu rechnen ist. Auch bestimmte Medikamente, wie Psychopharmaka können das Sekretionsmuster des Prolaktins und damit auch seine Serumkonzentration beeinflussen bzw. modifizieren. Ein leicht erhöhter Prolaktinwert (z.B. zwischen 30 und 50 ng/ml) kann mitunter nicht nur Ausdruck eines Tranquilizer-Konsums, sondern auch Symptom einer Hypothyreose sein: Das bei der Hypothyreose vermehrt reaktiv ausgeschüttete TRH stellt ein Prolaktin-stimulierendes hypothalamisches Hormon dar, das nicht nur die TSH-Sekretion der Hypophyse anregt, sondern auch die Prolaktinsynthese verstärkt. Verständlicherweise wird man auch hier kausal vorgehen und anstelle von Prolaktin-senkenden Mitteln entweder die Tranquilizer absetzen oder die Schilddrüsendysfunktion beheben.
Ein Prolaktinspiegel kann Ausdruck einer Schilddrüsenunterfunktion sein. Er findet sich aber auch oft nach Konsum von Beruhigungspulver und Schlafmittel. Manchmal arbeitet die Hirnanhangsdrüse zuviel und setzt dadurch vermehrt Prolaktin frei.
Die Therapie der Hyperprolaktinämie besteht in der vorsichtigen Anwendung eines Bromocriptin- oder Lisurid-haltigen Präparates; beide verändern den Dopaminhaushalt, der allerdings auch für andere Organe von Wichtigkeit ist, was die hohe Rate an Nebenwirkungen bei der Einnahme Prolaktin-senkender Mittel erklärt.
Auch Zink reduziert den Prolaktinspiegel, sodaß eine Substitution mit Zinkoratat versucht werden kann. Sinkt der Prolaktinwert allerdings nicht, so wird man auf die klassische Hormonbehandlung umsteigen.
Die Gonadotropinbestimmung (FSH, LH) kann bei Kinderwunsch-Patientinnen zusätzliche Informationen bringen, vor allem dann, wenn der Verdacht eines polyzystischen Ovar-Syndroms vorliegt; eine LH: FSH-Ratio über 3 spricht nicht nur für eine intraovarielle Follikelreifungsstörung, die auch vaginalsonographisch diagnostiziert werden kann, sondern für eine darüber hinausgehende endokrine Veränderung, die bei erhöhten LH-Werten oft mit einer Hyperandrogenämie bzw. auch mit einer Insulinresistenz vergesellschaftet ist.
Die FSH-Bestimmung wird auch dann sinnvoll, wenn dadurch ein Climacterium praecox ausgeschlossen werden kann; bei amenorrhöischen Frauen, die über Hitzewallungen und über eine völlig veränderte Befindlichkeit klagen, darf auch aus Gründen, die weit über die reproduktive Medizin hinausgehen, ein Climacterium praecox nicht übersehen werden.
Die Therapie des Climacterium praecox besteht in einer Substitutionstherapie, die der Menopause vergleichbar ist. Dies ist deshalb von hoher Brisanz, weil eine hypergonadotrope Amenorrhoe in jungen Jahren zu einem verstärkten Katabolismus des Knochens führt, der zusätzlich mit ungünstigen kardiovaskulären Veränderungen, aber auch mit neurodegenerativen Symptomen vergesellschaftet sein kann. Aus diesem Grund ist die Substitutionstherapie im Climacterium praecox von ganz besonderer Bedeutung.
Die Ätiologie des Climacterium praecox ist derzeit noch nicht evident erwiesen, manches spricht allerdings dafür, daß es sich – ähnlich wie bei der Thyreoiditis Hashimoto – um eine autoaggressive »Verdauung« des Ovars handelt, das in den meisten Fällen auch als hypothroph imponiert und ein völliges Defizit an Sekundär- und Tertiärfollikeln aufweist.
Sind die beiden Komatokopien, das follikelstimulierende Hormon (FSH) und lutanisierende Hormon (LH) erhöht, so kann das einen »Erschöpfungszustand« des Eierstocks ausdrücken, vor allem wenn gleichzeitig das 17-Beta-Östradiol niedrig ist. Das Lutanisierende Hormon kann allerdings auch beim PCO erhöht sein und am Tag der Ovulation.
Aus der LH:FSH-Ratio kann auf ein polyzystisches Ovar geschlossen werden. Die interventionelle Therapie des polyzystischen Ovars besteht in der Suppression der partiellen Hypergonadotropinämie durch GnRH-Analoga, die zu einer Down-Regulierung der hypophysären Gonadotropin-Produktion führen. Um allerdings den Zyklus zu konsolidieren, muß nach der hypophysären Suppression durch eine Gonadotropinzufuhr ein normaler Zyklus wieder aufgebaut werden. Dabei kann es aber gerade bei PCO-Patientinnen zu Überstimulierungserscheinungen kommen.
Eine weitere Therapieform ist die Stichelung bzw. die endoskopische wedge resection, die im Rahmen der Laparotomie seit Jahrzehnten mit gut beschriebenem Erfolg praktiziert, aus Gründen von postoperativen Adhäsionsbildungen allerdings kurzzeitig verlassen wurde. Durch die Anwendung der Endoskopie hat man auf mechanistischem Weg die Möglichkeit, den beim PCO-Syndrom offenbar bestehenden Circulus vitiosus zwischen Hypophyse und Ovar zu unterbrechen, ohne daß im Rahmen der minimalen Invasion mit dem Entstehen von Adhäsionen zu rechnen ist, die dann wiederum eine schwangerschaftsverhindernde Wirkung haben könnten. Besteht Übergewichtigkeit, so gehört in das Therapieschema des PCO-Syndroms naturgemäß auch eine Korrektur der Übergewichtigkeit.
Die Bestimmung der Androgene kann die Präsenz des PCO-Syndroms, welches mitunter auch von einer Hyperandrogenämie getragen ist, unterstreichen. Testosteron und Androstendion stellen die präferentiell in der Thekazelle des Ovars gebildeten Androgene dar, während das DHEAS und das 17-Hydroxyprogesteron in der Nebenniere synthetisiert werden. Die Therapie der Hyperandrogenämie ist bei Patientinnen, die keinen Kinderwunsch aufweisen und die die hyperandrogenämischen Stigmata aus kosmetischen Gründen beseitigt haben wollen, einfach. Die Anwendung von Antiandrogenen wie z.B. des Cyproteronacetats in unterschiedlichen Dosierungen (2–100mg/d) kann durch eine Veränderung des Androgenrezeptors in vielen Fällen eine Verbesserung, ja bisweilen sogar eine Heilung von den hyperandrogenämischen Beschwerden mit sich bringen.
Bei Kinderwunsch-Patientinnen ist der Einsatz von Cyproteronacetat kontraindiziert, allerdings ist die Hyperandrogenämie auch nur dann behandlungsbedürftig, wenn gleichzeitig eine Anovulation oder eine Amenorrhoe vorliegt. Die Therapie ist ähnlich wie beim PCO-Syndrom: Durch eine Down-Regulierung der Gonadotropinsekretion kann die Stimulation der thekalen Zellen unterbrochen werden. Damit können die in den Thekazellen gebildeten Androgene reduziert werden. Anschließend muß in vorsichtiger Weise – und hier wird man präferentiell FSH-betonte Gonadotropinpräparate verwenden – ein Normalzyklus durch eine Gonadotropinsubstitution etabliert werden. Liegt der Verdacht einer adrenalen Hyperandrogenämie vor, so hat in der Vergangenheit der Einsatz von Prednisolon eine Erhöhung der Schwangerschaftsrate mit sich gebracht.
Die Schilddrüsensituation wurde bisher von seiten des Gynäkologen unterbewertet: Sowohl eine Hyper- als auch eine Hypothyreose, die in ihrer Inzidenz häufig und im subklinischen Bereich oft nicht sofort diagnostizierbar ist, haben Auswirkungen auf die reproduktiven Fähigkeiten des weiblichen Organismus. Eine Hypothyreose kann nicht nur zu extragenitalen Symptomen wie Haarausfall, Müdigkeit und trockener Haut führen, sondern auch zur Anovulation und zur Amenorrhoe. Vor allem beim wiederholten Abort muß an eine subklinische Hypothyreose gedacht werden. Die Therapie besteht selbstverständlich in der Korrektur der Schilddrüsendysfunktion. Nicht so häufig sind endokrine Störungen wie Morbus Addison, Morbus Cushing oder die Akromegalie. Da sie aber auch mit der weiblichen Reproduktion interferieren, sollte an sie gedacht werden.
Die Bedeutung des Vitamin D für die Schwangerschaft
Jede Schwangerschaft ist für das Immunsystem der Frau eine Herausforderung, da das Baby mit seinen väterlichen Anteilen zunächst „fremd“ für den weiblichen Körper ist. Bei dieser Akzeptanz von fremden (väterlichen) Eiweiß spielen regulatorische T-Zellen (Treg) eine große Rolle.
Das Vitamin D ist für die Funktion der regulatorischen T Zellen wichtig. Fehlt es, so kann ein erhöhtes Risiko für aggressive Erkrankungen, aber auch für Frühaborte entstehen . Die „immunoaktive“ Wirkung des Vitamin D – das ja kein Vitamin, sondern ein Hormon ist – ist seit Jahrhunderten bekannt und war auch eine der Erklärungen, warum bei rezidivierenden Infektionen wie der Tuberkulose Kuren im UV-Bereich auf Bergen vorgenommen wurden. Dadurch stieg das Vitamin D und damit auch die Immunabwehr.
Das Vitamin D interagiert über seinem Rezeptor auch natural killer cells. Dies dient vor allem der Immunabwehr; auf der anderen Seite kann Vitamin D auch die schon erwähnten Treg Zellen modulieren , die auf Konzeption und die Erhaltung einer Schwangerschaft einen Einfluss haben. Fehlt das Vitamin D, so hat das auch für das „Schwangerwerden“ und für Schwangerschaft eine nicht unwichtige Bedeutung. Die T- regulativen Zellen schützen den Körper vor einer Überaktivität des Immunsystems, welche letztendlich zum Verlust einer Schwangerschaft , aber auch zu autoaggressiven Erkrankungen führen kann. Deswegen begünstigt ein Vitamin D Mangel sowohl die Entstehung der rheumatoiden Arthristis wie auch des Lupus?
Aber auch bei der Genese des Morbus Hashimoto kann ein Vitamin D Mangel für die Krankheitsentstehung mitverantwortlich sein.
Die Bedeutung des Vitamin D für eine Schwangerschaft ist vielschichtig: einerseits erhöht sich dadurch die Toleranz gegenüber väterliches Gewebe , andererseits wird das Immunsystem generell unterstützt. das nicht nur zur Abwehr von Feinden wichtig ist, sondern das darüber hinaus auch sich an der Embryogenese sich beteiligt.
Denn immunologische Faktoren sind bei der Entstehung des Embryos federführend. Fehlt das Vitamin D so kann dies zu einer Dysbalance der Organogenes und damit auch zu Entwicklungsstörungen führen.
In der Gebärmutter gibt es übrigens eigene uterine natural killer cells, die die Trophoblastenmigration und damit auch die Ausbildung der Spiralarterien mitüberwachen.
Für die Frühschwangerschaft aber auch für die Konzeption sind nicht nur das Immunsystem und damit das Vitamin D von Bedeutung, sondern auch das Kalzium, das ja am Beginn der Gametogenese essentiellist. Vitamin D greift bekanntlich in den Kalziumhaushalt ein und bekommt über diese Schiene eine hohe Bedeutung für die Reproduktion. Darüber hinaus wird auch die Maturation de r eizellen über das Kalzium gesteuert.
Auch während der Schwangerschaft beteiligt sich das Vit D an jenen genaktivitäten , die den Kalziumtransport durch die Plazenta regulieren .
Somit ist auch beim Kinderwunsch das Vitamin D – zur Erhaltung der Integrität der Ovarien und für die Einnistung von Bedeutung.
Vit D reguliert über seinen Rezeptor auch die HOX A10 Gene , die ebenfalls für die Entstehung und für die Einnistung bedeutsam sind.
Die WHO hat vor einiger Zeit attestiert, dass die Entwicklung von Asthma bereits in der Gebärmutter präjudiziert wird. Durch das Vit D kommt es zu einer Reprogrammierung der CD8Tcellc, was für die spätere Induktion bzw Modulation von Asthma wichtig ist.
Aber auch die Mikroglia ist von Vit D abhängig. Mikroglia kann sowohl den Vit D Rezeptor exprimieren wie auch die 1 Alpha Hydroxylase. Damit kommt dem Vit D ein starker neurotroper Effekt zu. Dies hat möglicherweise auf spätere Entwicklung der Multiplen Sklerose und des Autismus Bedeutung.
Das polyzystische Ovarsyndrom (PCO)
Das PCO-Syndrom zeichnet sich durch viele kleine Eibläschen im Eierstock aus, die die Fähigkeit verloren haben, zu einem reifen Follikel heranzuwachsen. Sie bleiben deswegen in einem Vorstadium stehen und verleihen dem Eierstock bei der Ultraschalluntersuchung das Aussehen eines »Schweizer Käses«, mit sehr vielen Löchern, die hier den unreifen Eibläschen entsprechen würden. Meist ist dieses Problem mit einem gestörten Eisprung verbunden und stellt damit eine nicht seltene Ursache für die Kinderlosigkeit dar.
Die Entstehung des PCO-Syndroms ist noch nicht sicher, wahrscheinlich ist es eine von der Hypophyse ausgehende Störung der Eierstocksstimulation, die entweder in einer unrichtigen Ausschüttung des hypophysiären gluteinisierenden Hormons liegt oder in einer Übergewichtigkeit beziehungsweise in einer Erhöhung männlicher Hormone, welche ebenfalls zu dieser Eibläschenstörung führen kann.
In manchen Fällen liegt dem PCO-Syndrom auch eine Störung des Stoffwechsels zugrunde. Deswegen kann möglicherweise diese Hormonstörung in späteren Jahren zu Problemen des Herz-Kreislaufsystems und des Zuckerstoffwechsels führen (Diabetes). Auch deswegen – und nicht nur wegen des Kinderwunsches – soll eine PCO-Patientin genau untersucht und auch mit einer zielführenden Therapie begleitet werden. Dazu fehlt neben der operativen Stichelung (durch das Laparoskop) der unreifen Eibläschen auch die Behandlung der erhöhten Insulinresistenz, die bei PCO- Patientinnen häufig gefunden wird.
Manchmal kann man auch durch eine zyklische Progesteronverabreichung sowie durch einen Gewichtsreduktion – sofern Übergewicht vorhanden ist – das polyzystische Ovar normalisieren.
Endokrine Durchuntersuchung
Hormonuntersuchungen sind Schnapp-Schüsse, die nicht immer der Wirklichkeit gerecht werden, dazu wäre es notwendig, einen »Film« zu drehen, d.h.mehrere Hormonuntersuchungen hintereinander durchzuführen. Dies trifft vor allem auf die Generaldiagnose der Schilddrüse und des Wachstumshormons zu. Beide Drüsen schwanken und zeigen erst dann ihr wahres Gesicht, wenn sie aus ihrer Reserve herausgelockt werden, d.h.wenn sie einer Stimulation unterworfen sind. Dabei wird im Abstand von 20 Minuten Blut abgenommen, dies erlaubt eine bessere Erkenntnis der Hormonsituation und ist vor allem dort sinnvoll, wo man bis jetzt keine Erklärung für viele Beschwerden der Frau gefunden hat, diese aber die Lebensqualität deswegen sehr reduzieren, weil die Patienten an chronischer Müdigkeit und Gewichtszunahme, an trockener Haut, an depressiven Verstimmungen, etc. leiden.
Manche Hormone zeigen am Morgen bzw.in der Nacht eine andere Aktivität als während des Tages, was vor allem für jene Hormongruppe zutrifft, die für die Bewältigung des Stresses in unserem Körper verantwortlich ist. Deswegen ist es mitunter sinnvoll, auch in der Nacht gezielte Blutuntersuchungen vorzunehmen.