[2.3] Postkoitaltest
Der Postkoitaltest ist eine einfache Untersuchung, die eine Fülle von Informationen bietet, weshalb es sinnvoll ist, diesen Untersuchungsgang an den Beginn der Sterilitätsabklärung zu stellen. Vor allem bekommt man dadurch eine Information über die Interaktion zwischen Sperma und dem zervikalen Mukus. Normalerweise wird der Test ein bis drei Tage vor der Ovulation durchgeführt, wobei die Spinnbarkeit des Zervikalschleimes 5 cm oder mehr betragen soll. Die Abnahme des Schleimes erfolgt zwischen 2 und 12 Stunden nach dem Koitus. Als positiv wird er interpretiert, wenn mindestens fünf Spermien pro Gesichtsfeld zu sehen sind. Obwohl die Aussagekraft des Postkoitaltestes in der letzten Zeit relativiert wird, weil auch bei fertilen Frauen mitunter ein negatives Testergebnis zu beobachten ist, kann andererseits ein positiver Befund Rückschlüsse auf die Spermaqualität, auf die Zervixfunktion und auf die Verträglichkeit zwischen Mukus und Samenfäden erlauben. Bei einem negativen Postkoitaltest ist die Evaluierung des Spermiogramms notwendig. Aber auch die Bewertung des Spermabefundes muß mit Zurückhaltung erfolgen. Obwohl man generell davon ausgehen kann, daß bei einer Oligozoospermie und einer Asthenozoospermie die Fertilität eingeschränkt ist, macht man andererseits doch immer wieder die Beobachtung, daß auch bei einem scheinbar schlechten Spermiogramm Schwangerschaften möglich sind. Umgekehrt sieht man auch bei Ehepaaren mit bereits erwiesener Fertilität, daß das Spermiogramm mitunter als pathologisch einzustufen ist.
Einen negativen Posquitaltest – das heißt nicht bewegliche Spermien – findet man auch dann, wenn der Muttermundschleim bzw. die Vagina »übersäuert« ist. Die Spülung mit Natronbicarbonat vor dem Geschlechtsverkehr kann mitunter das Problem lösen.
Die Behandlung des male factors konzentriert sich hauptsächlich auf die instrumentelle reproduktive Medizin, das heißt auf die In-vitro-Fertilisierung bzw. auf die ICSI. Durch die Kompaktierung von Ei- und Samenzelle auf kleinstem Raum im Rahmen einer Retortenbefruchtung kann auch bei einer schweren Oligozoospermie oder bei einer Asthenozoospermie eine Befruchtung erzielt werden. In Fällen einer hoch eingeschränkten Spermaqualität bietet sich die intrazytoplasmatische Spermainjektion als Mittel der Wahl an. Das Sperma-enhancing in vitro hat bisher keine überzeugenden Resultate gebracht, auch die Erfolge der intrazervikalen beziehungsweise intrauterinen Insemination werden kontroversiell beurteilt. Zur Therapie der eingeschränkten Zervixfunktion bietet sich ein lokal appliziertes Östriol an.
Das Spermiogramm ist dann eine sinnvolle Untersuchung, wenn der Postkoitaltest negativ verläuft. Dabei wird durch Masturbation das Sperma gewonnen und in einem speziellen Labor nach Anzahl der Spermien und nach deren Mutilität und nach deren Morphologie untersucht. 20 Millionen Spermien pro cm3 Ejakulat sind ungefähr die untere Normgrenze. Von den vorhandenen Spermien sollen 60% beweglich sein und 60% eine normale Konfiguration (Morphologie) aufweisen. Sind weniger als 20 Millionen Spermien im Ejakulat vorhanden, spricht man von einer »Oligozoospermie«, sind weniger als 60% mobil von einer »Asthenozoospermie« (asthenos = spar) und sind mehr als 40% des Spermien gebildet, so spricht man von einer »Teratozoospermie«. Die reproduktionsmedizinische Abklärung soll dann zusammen vom Urologen und vom Gynäkologen erfolgen.
Stickstoffmonoxid (NO) und Spermien
Die endotheliale NO-Synthase (eNOS) sowie die nNOS scheinen auch in Spermatozoon vorzukommen und die NO-Produktion anzuregen. Die Nitritkonzentration in Spermien war bei asthenozoospermatischen Patienten niedriger als bei normozoospermatischen. Bereits vorher ist die NO-Synthase auch im Nebenhoden und in der Vaso deferens nachgewiesen worden. Möglicherweise spielt das NO einen wichtige Rolle für die Spermamotilität. Die Motilität des Spermas korelliert auch mit der Superoxyddismutase. Da Stickmonoxyd beim Geschlechtsverkehr vermehrt freigesetzt wird, kann möglicherweise dieses Gas nicht nur die Erektion der Klitoris und des Schwellkörpers stimulieren sondern auch einen positiven Einfluß auf die Beweglichkeit haben.
Zytogenetische Ursachen einer Spermapathologie
Bei Männern mit einer Azoospermie oder einer schweren Oligozoospermie findet man in 4,2% Anomalien an den Geschlechtschromosomen, allerdings nur in 1,5% Anomalien an den Autosomen. Bei normalen männlichen Neugeborenen ist die Rate der Geschlechtschromosom-Abnormalität 0,14% und die Wahrscheinlichkeit einer autosomalen Anomalie 0,25%. Nach einer anderen Untersuchung findet man bei azoospermatischen Männern das Klinefelder-Syndrom in 10,8%. Klinefelder-Männer sind in der Lage, normal chromosomale Kinder zu zeugen, wenn entweder ein Mosaik vorliegt oder, was auch vorkommen kann, im Rahmen der meiotischen Reifungsteilung normale haploide Samen gebildet werden. Trotzdem ist es nach dem ICSI eines Klinefelder-Mannes sinnvoll, am Frühembryo eine Fluoreszens in situ Hybridisierung (FISH) durchzuführen. Neben den klassischen Kleinefleder-Syndrom (47XXY) gibt es auch eine weitere Aneuploidie, nämlich 47XYY; diese Männer zeugen normale Kinder. Eine weitere mögliche Mißbildung ist die Translokation zwischen einem X- und einem Y-Chromosom, was ebenfalls zu einer abberanten Spermatogenese und zur Azoospermie führen kann.