[1.10.3] Endometriose – das unbekannte Leiden
Wenn sich wilde Zellen als Gebärmutter gebärden
Um die Jahrhundertwende stellte der Mediziner Carl Freiherr von Rokitansky (1804 bis 1878), Mitbegründer der Wiener Medizinischen Schule und einer der berühmtesten Pathologen seiner Zeit, in der Gesellschaft der Ärzte eine Patientin vor, die Monat für Monat unter schweren Schmerzen ohnmächtig zusammenbrach. Die damals üblichen Untersuchungen – technisch weit entfernt von den heutigen Diagnostikmethoden – ergaben nicht den geringsten Hinweis auf Tumore, Zysten oder Myome. Drei Wochen im Monat lebte die Frau beschwerdefrei, die vierte Woche wurde für sie zur Hölle. Diese eine Woche steigerte den Zustand der Patientin bis zur exzessiven Schmerzdramatik und anschließender Ohnmacht.Rokitansky operierte – und er legte frei, was er bis dahin noch nie gesehen hatte: Der gesamte Bauchraum dieser Frau hatte sich in eine einzige große Gebärmutterhöhle verwandelt. Die Schleimhaut, die normalerweise nur im Uterus vorhanden ist, ummantelte die Blase, den Darm und das Bauchfell. Nicht nur: Diese Schleimhaut machte auch jene Zyklusschwankungen mit, die sich bei gesunden Frauen nur in der Gebärmutter abspielen.
In der Bauchhöhle imprimieren sie wie kleine schwarze beziehungsweise rote Flecken, in denen Zellen versammelt sind, die der Schleimhaut der Gebärmutterhöhle sehr ähnlich sind.
Das Symptom dieser Krankheit wurde erstmals an diesem Wiener Mädchen beschrieben: Entzündungen, die den genitalen Bereich weit überschreiten. Mit einem hochinteressanten zusätzlichen Detail: Rokitanskys Patientin hatte keine Gebärmutter, wohl aber Eierstöcke und Brüste.Diese Krankheit, mit dem die Wiener Medizinische Schule in die Liste der gynäkologischen Entdeckungen einging, wurde Endometriose genannt – Wucherungen der Gebärmutterschleimhaut. Diese Krankheit beschreibt einen Zustand, bei dem die Gebärmutterschleimhaut quer durch den weiblichen Oberkörper wuchert, aber nur nicht dort, wo sie sein sollte – in der Gebärmutterhöhle.
Der Therapie erster Teil – Das Wort zur Endometriose
Die Endometriose ist häufiger, als vermutet: Etwa fünf Prozent der geschlechtsreifen Frauen leiden unter dieser Krankheit, wobei deren Beschwerdegrad höchst unterschiedlich sein kann. Bei der Endometriose handelt es sich um Zellen, die zwar die zyklischen Veränderungen der Menstruation mitmachen, die aber – wie die moderne Forschung mittlerweile nachgewiesen hat – mit der Gebärmutterschleimhaut nicht unbedingt ident sein müssen. Allerdings benehmen sich diese Zellen so wie die »echte« Schleimhaut – sie imitieren sie. Vor allem um die Zeit der Menstruation sondern sie Gewebsstoffe ab, die Schmerzen, Schwellungen und gelegentlich auch völlig untypische Blutungen verursachen. Der Grad der Beschwerden richtet sich nach dem Ort der Plazierung dieser Zelle innerhalb des Bauches.
Gemeinsames Merkmal der meisten Endometriose-Formen: sie treten zur gleichen Zeit wie die Monatsblutung auf.
Bevorzugt siedelt sich diese Entzündung am Bauchfell und am Eierstock an. Diese Organe von innen aus betrachtet weisen verschieden strukturierte Flecken (Farben von hellrot bis schwarz) auf, die in ihrer Ausbreitung unterschiedlich groß sein können. Sie reichen von einigen wenigen Millimeter Durchmesser bis zu Handtellergröße, wenn sie nämlich das Bauchfell flächenhaft durchziehen. Diese großen Formen der Endometriose erzeugen die klassische Schmerzsymptomatik: Unmittelbar vor – meist aber während der Menstruation – klagt die Frau über rasend stechende Schmerzattacken im Unterbauch, sehr oft ist sie außerstande, ihren normalen Tätigkeiten nachzugehen. Mitunter krümmt sich die Patientin vor Schmerzen und muß zu Menstruationsbeginn wegen dieser Schmerzwellen den Arbeitsplatz verlassen – gar nicht selten muß sie ins Spital zur Schmerzlinderung.
Sehr gerne nistet sich die Endometriose auch in Blase und Darm ein. Dieser Lozierung entsprechend sind auch die Symptome: Während der Menstruation krampft sich die Blase zusammen, gelegentlich tritt sogar Blut beim Urinieren aus der Harnröhre aus. Die betroffene Frau ist – verständlicherweise – schwer beunruhigt. Zumal die Endometriose des Darmes auch noch dramatische Symptome anzeigt: Zusätzlich zu den übrigen Beschwerden kommen starke Durchfälle, die oft schleimig und blutdurchsetzt sind.
Diese Krankheit findet sich aber auch an völlig untypischen Stellen. Manchmal sind die signifikant rötlichen Felder in der Scheide festzustellen, gelegentlich um den Nabel, am Herzen oder in der Lunge. Im Brustraum kann sie während der Menstruation schwere, lebensgefährdende Symptome hervorrufen.
Lange Zeit vertrat die Medizin die Meinung, daß diese verstreuten Herde während der Regel – ähnlich wie die Schleimhaut – ebenfalls zu bluten beginnen. Die Molekularendokrinologie hat mittlerweile eine differenziertere Sicht der Dinge bewirkt. Wissenschaftlich kann heute nachgewiesen werden, daß Endometriosezellen während eines Monats ihr biochemisches Profil verändern. Um die Zeit der Menstruation setzen sie zahlreiche Entzündungsstoffe frei, die das umliegende Gewebe beeinflussen und irritieren. Es kann daher angenommen werden, daß im Herzen, in der Lunge oder auch im Bauchraum gar kein Menstruationsblut entsteht. Wahrscheinlich sind es Gewebshormone, die von den Eierstockhormonen sensibel gesteuert und mit der Menstruation virulent werden und Schmerzen unterschiedlichster Intensität verursachen können.
Die Menstruation wird durch den Abfall des Östradiols und des Progesterons (Gelbkörperhormon) ausgelöst. Beide bewirken in ihrem typischen Freisetzungsmuster jene Gebärmutterveränderungen, die zur Menstruation führen. Auch die Endometriose, die irgendwo im Körper verteilt sein kann, reagiert auf das ovarielle Hormongeschehen in charakteristischer Weise: Es wird dabei zwar meist kein Blut freigesetzt, wohl aber bilden sich biochemische Substanzen, die den weiblichen Organismus irritieren.
Die Endometriose ist eine typisch frauenspezifische Entzündung, die nur von der bei Frauen vorkommenden typischen Hormonkonzentration abhängig ist. Wichtig dabei ist der Abfall von Östrogen- und Progesteronwerten; weniger wichtig ist die tatsächliche Präsenz dieser beiden Hormone.
All das deutet auf eine Natur-Pflanzen-Therapie hin. Durch Einflußnahme auf die Geschlechtshormone können nämlich diese typisch weiblichen Entzündungen verringert, vielleicht sogar eliminiert, manchmal aber auch nur verändert werden. Es muß nicht das gesamte Östrogen- und Gelbkörperhormonpotential defizitär werden; oft genügt es schon, nur den monatlichen Hormonabfall zu blockieren, um die Endometriosesymptome entscheidend zu bessern.
Endometriosezellen können sich überall bilden, wo ein spezifisches Keimbett vorhanden ist. Es bedarf keineswegs des Menstruationsblutes als Verteilungsmedium. Nach alter Volksmeinung wird dieses »Monatsblut« im ganzen Körper verstreut. Also könnten sich nach diesem Denkmodell – ähnlich den Krebsmetastasen – auch überall Endometriumschleimhautinseln bilden.
Der Krankheitsverlauf scheint aber ein ganz anderer zu sein. Wahrscheinlich sind das Bauchfell, der Eierstock und andere Gewebe in der Lage, sich in bestimmtem Umfang zu verwandeln. Dabei dürften Zellen freigesetzt werden, die auf die Eierstockshormone sensibel reagieren und die dabei andere, meist entzündungsstimulierende Gewebshormone erzeugen. Dieser Umstand ist letztlich verantwortlich dafür, daß die Endometriose ein Schwangerschaftshindernis ist. Die von den Zellen freigesetzten Substanzen, die bei vielen Frauen Schmerzen, Erbrechen und Kollaps hervorrufen können, sind der Befruchtung und der Einnistung des Embryos hinderlich. Sehr oft zerstören sie die befruchtete Eizelle, sehr oft verhindern sie lediglich deren Transport in die Gebärmutterhöhle und deren Einnistung. Wenn Frauen keine Kinder bekommen, wird daher zu allererst diese frauenspezifische Entzündung als Ursache vermutet.
Die sicherste Diagnose der Endometriose ist die Laparoskopie. An Hand der Farbe kann man sich eine ungefähre Vorstellung des Alters der Endometriose machen: Die jüngsten Endometrioseformen sind rötlich, die dann in eine schwarze Endometriose übergehen. Schließlich bleiben nur mehr Vernarbungen über, man spricht von der weißen Endometriose. Schmerzen können alle drei Formen bereiten, wobei die weiße Endometriose eher zu einer chronischeren Form und die schwarze bzw. rote Endometriose zu einer mehr zyklisch orientierten Form tendiert.
Werden dem Gynäkologen die typischen Symptome geschildert, die immer während der Menstruation auftreten, kann die Diagnose Endometriose meist schon während des Gesprächs – der Anamnse – gestellt werden. Erhärtet und objektiviert wird dieser Verdacht durch eine Bauchspiegelung. Dabei dringt der Arzt über den Nabel in die Bauchhöhle ein und über die Instrumentenoptik werden der Bauchraum, die Eierstöcke sowie Blasen- und Darmoberflächen inspiziert.
Die Endometriose ist dabei unübersehbar: Sie stellt sich dar als schwarze bis rote Flecken, die im Zuge dieser Inspektion auch gleich mit Laser oder Brennstäben behandelt werden können.
Wie Endometriose überhaupt entsteht, läßt sich auch nach intensiver Forschung noch nicht hundertprozentig beantworten. Früher herrschte die Meinung vor, daß das Menstruationsblut nicht nur durch die Scheide nach außen sondern auch über die Eileiter ins Bauchrauminnere fließen und sich an verschiedenen Stellen festsetzen kann.
Diese Meinung wird freilich durch das Wiener Mädchen widerlegt, das vor einem Jahrhundert von Rokitansky operiert wurde und das gewissermaßen das erste dokumentierte Endometrioseopfer ist: Diese Patientin hatte keine Gebärmutter und damit auch keine Menstruation. Sie hätte daher nie an einer Endometriose leiden können.
Der Abbau des Östrogen erscheint auch bei der Endometriose von Wichtigkeit zu sein. Die Einnistung und die frühen Schwangerschaftsphasen benötigen ein besonderes Östrogen, das 4- bzw. 16-hydroxe Östrogen, das – vom Eierstock kommend – weiter umgewandelt wird. Diese Östrogenmetaboliten haben den Vorteil, dass sie neue Blutgefäße entstehen lassen, dass für die Einnistung innerhalb der Gebärmutter von Wichtigkeit ist. Manche Frauen neigen dazu diese Metabolisierungsschiene des Östrogens zu betreten und haben deswegen wahrscheinlich eine höhere Tendenz zur Osteoporose. Erschwert wird dies durch Umweltgift, welche über das gleiche Enzymsystem (Zyp 1B1) aktiviert werden, wodurch aus den Umwelttoxinen richtige Gifte entstehen, welche z. B. auch für die Entstehung der Endometriose mitverantwortlich sind. In Holland gibt es sehr viele Endometriosepatientinnen, gleichzeitig gibt es auch eine hohe Belastung mit dem Umweltgift Dioxin. Forscher sind der Meinung, dass hier ein Zusammenhang bestehen könnte.
Die Auffassung, daß die Menstruation nicht durch die Scheide nach außen, sondern durch die Gebärmutter nach innen fließt, mag für manche Krankheitsformen stimmen – im generellen stammt diese Meinung aber aus einer Zeit, in der die Medizin im allgemeinen und die Gynäkologie im speziellen noch sehr mechanistisch dachten. Heute weiß man, daß es ganz normale Zellen sind, die aus verschiedenen Gründen umgeformt werden und die beschriebenen Veränderungen – endometriumsähnliche Gebilde – hervorrufen können. Mediziner sprechen von einer »Metaplasie« (Zellumwandlung). Warum es zu dieser Metaplasie aber tatsächlich kommt, ist im Detail noch nicht wirklich erforscht.
Bei der Adenomyosis, einer besonderen Form der Endometriose, beginnen sich mittlerweile die Nebel ihrer Entstehung zu lichten. Diese Veränderung ist deshalb leicht charakterisierbar, weil sie sich an der tiefsten Stelle der Bauchhöhle – zwischen Scheide und Mastdarm – befindet. Nur an diesem Ort siedelt sich diese Spezialform der Endometriose an. Bei der laparoskopischen Inspektion fällt sie als roter Zellverband auf, der auch knotenförmige Ausmaße annehmen kann. Für die Patientin bedeutet diese Krankheit furchtbare Beschwerden – vor allem Schmerzen.
Eine histologische Untersuchung dieser speziellen Endometriose sorgt für Überraschungen. Es zeigte sich, daß es sich bei der Adenomyosis nicht nur um einfach umgewandelte Zellen handelt (wie dies bei anderen Formen dieser Entzündungskrankheit der Fall ist), sondern daß neben den endometriumsähnlichen Zellen auch noch Muskel- und Bindegewebe vorhanden ist. Durch diese molekularbiologische Typisierung kann schließlich die Entstehung dieser Krankheit rekonstruiert werden. Und die ist tatsächlich voller Überraschungen: Diese Form der Endometriose ist ein abgesprengter Teil der Gebärmutter, die während der embryonalen Entwicklung einen gewissen Weg zurücklegen mußte. Auf dieser Reise scheint sie – ehe sie sich an der richtigen Stelle im weiblichen Körper etabliert – einzelne Zellen zu verlieren. Aus diesen verlorenen Verbänden bilden sich dann im Laufe des Lebens jene Endometriosen, die dann im tiefsten Raum des Bauches zu wuchern beginnen.
Die Frage, wie und warum Endometriose entsteht, hat einen durchaus intellektuellen Background. Sie befriedigt nicht nur die Neugierde der Patientin oder des Arztes, ihre Entstehungsgeschichte trägt auch zu einer Verbesserung der Therapie bei.
Nach heutigem Wissensstand sind die Entstehungsursachen vielfältig. Und je mehr die Medizin über diese Krankheit weiß, desto differenzierter wird auch deren Behandlung.
Der Endometriose-Therapie zweiter Teil – die Pflanze
Noch vor einigen Jahren war die Diagnose Endometriose für die Patientin mit Schockerlebnissen verbunden: Die häufigste Behandlungsform war die Entfernung des gesamten inneren Genitals. Das bedeutete Kastration.
Später wurde diese chirurgische Totalamputation durch eine hormonelle Behandlung ersetzt – ein Quantensprung in der Therapie. Mit Erfolg wird diese Behandlungsform auch heute noch angewendet. Aber der medizinische Fortschritt läßt sich nicht mehr stoppen. Die von den Gynäkologen weiterentwickelte Strategie nimmt auf die unterschiedlichen Entzündungsformen Rücksicht – die Behandlung wird differenzierter.
Liegt der Endometrioseherd tatsächlich an der tiefsten Stelle der Bauchhöhle (im sogenannten Douglas’schen Raum), bestimmt ihre biochemische Eigenheit auch die Therapie. Diese adenomyotische Endometriose hat sich ja von der Gebärmutter abgespalten – deren chemische Zusammensetzung hat sie aber behalten. Das bedeutet, daß bei dieser Krankheit das Östrogen aus seinen nicht aktiven Vorstufen schnell abgespaltet wird. Es stimuliert danach sein eigenes Wachstum.
Die Behandlung muß sich daher auf die Unterdrückung jenes Enzyms beschränken, das den Zellverband zum Wachsen bringt und zu den argen Problemen führt. Dieses Enzym ist die sogenannte Sulfatase – ein chemischer Motor, der einen Schwefelrest vom Östrogen abspaltet und damit das nicht aktive, verschwefelte Östrogen in aktives verwandelt.
Dabei spielt sich ein sehr komplexer Vorgang ab, der – sehr simplifiziert dargestellt – noch immer kompliziert genug ist. Die Eierstockhormone sind so stark wirksame Substanzen, daß sie der Körper – vergleichbar mit einem Käfig – mit einer Hülle, nämlich einem Sulfatrest, umschließt. Dieser verhindert, daß die Hormone vorzeitig aktiv werden können. Nun gibt es aber Gewebeteile, die dieses Östrogen-Schwefelgefängnis sprengen und dadurch das Hormon aktivieren können. Die Adenomyosis verfügt über diese Fähigkeit. Sie ist daher auch in der Lage, permanent ihre Größe zu verändern. Durch die Hormonschwankungen kann daher das Östradiol diese Form der Endometriose tatsächlich vergrößern.
Die Medizin hat mittlerweile einen Stoff zur Verfügung, der die Aktivitäten dieser adenomyotischen Herde bremst und die Aktivierung des Östrogen verhindert. Es handelt sich dabei um ein Hormon, das – den männlichen Hormonen ähnlich (und mit diesen sogar verwandt) – schon seit geraumer Zeit zur Behandlung der Endometriose eingesetzt wird.
Die längste Zeit wurde es in Tablettenform verschrieben, was freilich zu vielen Nebenwirkungen (beispielsweise hormonellen Entgleisungen) führte. Vor kurzem wurde die Therapieform umgestellt. Das Danazol – so der Name des Medikaments – ist neuerdings als Vaginal- oder Rektalsuppositorium erhältlich. Dadurch, daß es praktisch direkt am Ort des Geschehens plaziert wird, entfällt der Umweg über die Leber und es ergeben sich auch kaum irgendwelche Nebenwirkungen. Im Gegenteil: Das Medikament greift ganz nahe des Douglas’schen Raumes direkt in die Entzündungsvorgänge ein und beseitigt den Endometrioseherd.
Finden sich am Bauchfell, an der Blasenoberfläche oder am Enddarm einfache Zellen (das sind solche, die nicht von der Gebärmutter während ihrer embryonalen Entwicklung abgespaltet wurden), wird eine andere Form der Therapie angewandt. Bei diesen Zellen wird der Versuch unternommen, den Abfall von Östrogen und Progesteron zu verhindern. Damit soll die Aktivierung der Entzündungsfaktoren in den Endometrioseherden umgangen werden.
Aber auch in solchen Fällen differenziert die Medizin bereits. Die Therapie richtet sich danach, ob der weibliche Organismus über Fähigkeiten zur Selbstheilung verfügt und in der Lage ist, die Krankheit aus eigener Kraft zu bewältigen.
Dieses Strategiemodell beruht auf der Tatsache, daß der Körper regelwidrige Zustände von selbst erkennt und versucht, zum ordnungsgemäßen Zustand zurückzukehren. Die Endometriose ist regelwidrig – sie unterliegt daher der Eigensanierungskraft des Körpers. Im Zuge dieses Geschehens baut der weibliche Organismus um die Endometriosezellen weiße Blutkörperchen auf, deren Aufgabe das Killen der Entzündungsherde ist. Das gelingt nicht immer – manchmal reichen die körpereigenen Abwehrkräfte nicht aus. Aus der Farbe der Entzündungsherde können jedoch Rückschlüsse gezogen werden: Hellrote Herde gelten als aktiv und virulent, dunkle schwarze oder schon bräunlich vernarbte als nur noch reduziert aktiv. Sie wurden von den körpereigenen Zellen bereits lahmgelegt, sodaß sie vielfach nur noch als Narbenplatten sichtbar sind.
Es sind die voll aktiven Endometrioseherde, die der Patientin furchtbare Schmerzen bereiten können. In diesen Fällen wird der Arzt auf die hormonelle Ausschaltung des Eierstockes drängen müssen. Durch die Unterbindung der Hormonproduktion wird auch das Auf und Ab von Östrogen und Progesteron verhindert, denn beide gemeinsam sind für die Beschwerden verantwortlich.
Der Hormonstop geschieht durch Einsatz einer kleinen, nur zehn Aminosäuren umfassenden Substanz. Die Medizin nimmt dabei eine bewußte Täuschung des Körpers vor, die eigentlich – so hinterlistig sie auch sein mag – recht genial ist.
Normalerweise wird vom Gehirn alle 90 Minuten dieses sogenannte kleine Hormon freigesetzt, um mit diesen die Hirnanhangdrüse zu veranlassen, das Steuer für den Eierstock zu übernehmen. Kurze und kleine biochemische Verbindungen sind von der Medizin leicht imitierbar. Ohne viel Aufwand kann daher eine der zehn Aminosäuren ausgetauscht und die neue Verbindung als Injektion dem Körper zugeführt werden.
Der Organismus glaubt nun tatsächlich, daß es sich hiebei um die im eigenen Gehirn gebildete Steuerungssubstanz handelt, die er sofort zur Stimulation der Hirnanhangdrüse – und damit der Eierstöcke – einsetzen möchte.
Im ersten Augenblick hat die Täuschung Erfolg. Die manipulierte Hormonverbindung paßt tatsächlich ins Schloß der entsprechenden Zelle. Allerdings – und das ist dabei der Erfolg dieser Täuschung – kann der Schlüssel das Schloß nicht öffnen. Sprich: Er kann die Schleusen nicht aktivieren, die den Eierstock zur Produktivität anregen. Dadurch kommt es zum völligen Erliegen der Eierstockaktivität und es werden weder Östrogen noch das Gelbkörperhormon produziert.
Die Frau wurde künstlich in den Wechsel versetzt – aber nur für eine begrenzte Zeit.
Meist dauert es vier bis acht Wochen, bis es dem weiblichen Organismus gelingt, das manipulierte Molekül zu entfernen und den Eierstock wieder unter Kuratel des normalen, nicht manipulierten Hormons zu stellen.
Wird die künstliche Substanz einmal monatlich als Injektion verabreicht, kann die Frau über längere Zeit – meist sechs Monate – im »künstlichen Wechsel« gehalten werden. Durch diesen Eingriff ins Hormongeschehen kann das Auf- und Absteigen der Östrogenkonzentration ausgeglichen werden. Meist ist das aber auch mit typischen Beschwerden verbunden: Die Frauen klagen über Schweißausbrüche, Schlaflosigkeit und alle jene Symptome, die man sonst nur von den Wechseljahren kennt.
Wenn Frauen unter dieser Therapie sehr leiden, wird ihnen künstliches Östrogen in geringer Dosierung verabreicht. Damit können die Nebenwirkungen beseitigt werden, die durch die Ausschaltung der Eierstöcke entstehen.
Freilich gibt es noch eine andere Form der konservativen Behandlung: die kontinuierliche Anwendung des Gelbkörperhormons. Diese Therapie belastet weniger, erzeugt auch keine klimakterischen Beschwerden, ist aber manchmal auch nicht voll wirksam.
Das Gelbkörperhormon wird meist injiziert. Dadurch wird es nur langsam freigesetzt und verhindert dadurch die Pendelausschläge bei der Hormonproduktion, die für die Entstehung der Endometriose hauptverantwortlich sind. Bei dieser Therapie bleibt meist auch die Regel aus, manchmal wird sie auch nur unregelmäßig. Die menopausalen Beschwerden, die sonst bei völliger Ausschaltung der Eierstockaktivität auftreten, fehlen aber bei der Gelbkörperhormonbehandlung fast völlig.
Der Endometriose-Therapie dritter Teil – das Messer
Die Endometriose ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich Hormonbehandlung und Operation einander ergänzen können. Reicht die Therapie mit der Pflanze nicht aus, wird der Arzt das Messer anwenden müssen. In den meisten Fällen kann dies schon während der diagnostischen Laparoskopie geschehen, weil durchs Schlüsselloch die Diagnose erstellt und sofort die Behandlung in Angriff genommen werden kann.
Stellt der Operateur bei der Bauchspiegelung einzelne Herde fest, wird er ein kleines Stückchen entnehmen und sofort histologisch untersuchen lassen. Anschließend kann die wie kleine Farbtupfer am Bauchfell verteilte Endometriose mit einem Wärmestab zerstört oder mit Laser verbrannt werden. Die Krankheit wird regelrecht verkohlt. Manche Laserapparate krallen sich vor allem in die roten Zellen fest, was die gezielte Behandlung um vieles erleichtert.
Durch die Bauchspiegelung können die Endometrioseherde erkannt
und gleichzeitig auch verschorft werden.
Aus Sicherheitsgründen schließt an eine chirurgische Behandlung eine hormonelle an. Vor allem dann, wenn der Wunsch der Frau nach einem Kind gegeben ist, wird der Erfolg der chirurgisch-hormonellen Therapie nach sechs Monaten durch eine erneute Bauchspiegelung überprüft. Es müssen alle ursprünglich vorhandenen Endometrioseherde beseitigt sein, ansonst kann an eine Schwangerschaft nicht gedacht werden.
Mitunter bildet die Endometriose am Eierstock Zysten, die ebenfalls operativ entfernt werden müssen. Üblicherweise werden herkömmliche Zysten zur Gänze entfernt. Anders bei Endometriosezysten. In ihnen sind üblicherweise zahlreiche Eizellen enthalten, die für eine spätere Befruchtung notwendig sein können. Der Chirurg verzichtet daher auf die vollkommene Entfernung dieser Zysten. Er beseitigt lediglich deren Inhalt und verbrennt mit Laser oder Brennstäben die Endometrioseninnenseite.
Alles in allem wird die Patientin meist durch diese Operation weit weniger belastet als durch die Beschwerden die im Zuge dieser doch sehr schmerzvollen Krankheit auftreten.