[1.9.2] Diagnostik

Diagnostische Schritte

Wie in vielen Bereichen der Medizin kann auch bei der Diagnostik des klimakterischen Syndroms die medizinische Erfahrung und der klinische Blick durch keine Laboruntersuchung ersetzt werden. Eine ausführliche Anamnese, deren Erstellung sich leider bei Jungmedizinern immer weniger an Interesse erfreut, kann in vielen Fällen bereits einen wertvollen Hinweis zur Diagnostik und letzten Endes auch zur Therapie geben. Das genaue Befragen der Patientin stellt daher nach wie vor eine Conditio sine qua non für eine akkurate Diagnose dar.

Die Anamnese ist der aussagekräftigste diagnostische Schritt!

Man kann die Diagnostik des klimakterischen Syndroms in zwei Schritten vornehmen: durch das Gespräch mit der betroffenen Frau und durch Hormonuntersuchungen. Sinnvollerweise wird man schrittweise vorgehen. Wenn die Hinweise aus dem Gespräch beziehungsweise der erfahrungsmäßige Einsatz von Hormonen die Beschwerden restlos beseitigen beziehungsweise neue Beschwerden hervorrufen, ist es, wie in jeder anderen medizinischen Disziplin sinnvoll, die Hilfen biochemischer Bestimmungsmethoden zur Hand zu nehmen. Sicher ist es angesichts der steigenden Gesundheitskosten zu überlegen, wann welche Untersuchung eingesetzt werden soll. Hormonuntersuchungen sollen nur vorgenommen werden, wenn sie ein sinnvolles Resultat versprechen. Man sollte allerdings in einer Zeit, in der die differenzierte Behandlung des Klimakteriums mit Recht immer mehr gefordert wird, nicht am falschen Ort sparen. Einfache Untersuchungen können, wenn sie gezielt eingesetzt werden, eine kausale Behandlung ermöglichen und damit die rein symptomatische Therapie ablösen.

Die Anamnese

Es sollen einige Beispiele dafür geboten werden, wie man durch eine anamnestische Frage die Differentialdiagnostik erleichtert:
Manchmal klagen Frauen, die von ihrem Alter noch keineswegs dem Klimakterium zugeordnet werden können, über Hitzewallungen. Die Frage nach dem Zeitpunkt des Auftretens der Flushes kann ein guter Hinweis dafür sein, ob es sich tatsächlich um klinische Vorboten der Wechseljahre handelt oder ob hier andere Gründe verantwortlich sein könnten. Die ersten Wallungen treten meist nachts in Form von Schweißausbrüchen auf, durch die die Patientin erwacht. Dies, sowie der Hinweis, daß nach Kaffeegenuß auch während des Tages oder in Momenten neuer kognitiver Eindrücke bzw. vegetativer Erregung selektiv Flushes beobachtet werden, sind Hinweise auf eine klimakterische Genese. Treten Hitzegefühle präferentiell am Tag auf, ohne daß diesen bestimmte Ereignisse zugeordnet werden können, so spricht dies eher gegen eine menopausale Genese.

Hitzewallungen in der Nacht sprechen für das klimakterische Syndrom. Hitzewallungen nur am Tag haben eher andere Ursachen, wie z.B. eine Schilddrüsenerkrankung.

Der Zeitpunkt des Auftretens allgemeiner Beschwerden ist ein weiterer Hinweis auf die Frage, ob es sich um hormonabhängige Symptome handelt oder nicht. Dies gilt auch für Störungen, die in der fertilen Lebensphase auftreten. Klagt die Patientin zum Beispiel über Gewichtszunahme und Wasserstau, die präferentiell prämenstruell zu beobachten sind und nach der Regel wieder verschwinden, so spricht dies für eine hormonelle Dysbalance, meistens im Sinne eines Progesteronmangels.

Berichtet die betroffene Frau über Wallungen, die in erster Linie während der Menstruation bzw. kurz vorher entstehen, so ist dies ein diskreter Hinweis auf eine ovarielle Insuffizienz: Perimenstruell sinkt der Östradiolspiegel besonders stark ab. Liegt bereits eine ovarielle Schwäche vor, so wird während der Menstruation ein ausgeprägtes Östrogendefizit entstehen, das dann tatsächlich Wechselbeschwerden hervorruft.

Ähnliche Beschwerden deuten auch bei Frauen, die orale Kontrazeptiva einnehmen, das Erlöschen der endogenen Östrogenproduktion an. Dies sollte Anlaß sein, die Indikation zur Verordnung eines oralen Kontrazeptivums zu überprüfen und die Umstellung auf eine sequentielle Hormonsubstitution vorzunehmen, die den gesamten Zyklus mit einer Östrogenmedikation abdeckt. Gegebenenfalls ist zusätzlich eine nicht hormonale Empfängnisverhütung vorzunehmen.

Jene Beschwerden, die mit Ausbleiben der Regel mehr oder weniger gleichzeitig Auftreten, stehen schwer in Verdacht durch die Menopause hervorgerufen worden zu sein.

Wichtig ist es, nach Beschwerden zu fragen, die von der Patientin, oft aber auch vom betreuenden Arzt in keiner Weise mit Hormonstörungen in Zusammenhang gebracht werden. Gelenkschmerzen, vor allem in den Fingern, die am Morgen nach dem Schlaf die Frau in besonderem Maße belasten und im Laufe des Tages wieder verschwinden, sind ein beinahe sicherer Hinweis auf einen Östrogenmangel. Dies gilt auch für trockene Schleimhaut, sei es im Auge, im Nasopharyngealbereich oder im Urogenitaltrakt. Palpitationen, das unregelmäßige Schlagen des Herzens, das bei einer ansonsten kardiologisch vollkommen gesunden Frau ab dem 40. Lebensjahr in Erscheinung treten kann, sollen ebenfalls an eine ovarielle Steroidsyntheseinsuffizienz denken lassen. Gleiches gilt für die plötzlich einsetzende Hypertonie und Hypercholesterolämie, wobei man hier stets den Kontakt mit dem Internisten zu suchen hat.

Das klimakterische Syndrom erfordert die interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Natürlich enthält auch die anamnestische Frage nach dem Verhalten der Beschwerden während einer Hormonsubstitution einen wertvollen klinischen Hinweis. Nicht selten erfolgt die Hormonbehandlung in der falschen Dosierung, die Beschwerden werden nicht besser, oft treten neue hinzu. Allerdings berichten die betroffenen Frauen in diesem Fall unisono über kurzfristige Besserungen der Beschwerden, die nach einigen Wochen erneut wieder auftraten. Dies ist ein Indiz dafür, daß die Behandlungsrichtung korrekt ist und man mit Sexualsteroiden tatsächlich die Symptomatik therapieren kann und soll. Andererseits gibt diese Aussage aber Hinweise auf die oft zu beobachtende Konstellation der nicht stimmenden Hormondosis.

Auch eine in der Vergangenheit erlebte Schwangerschaft kann anamnestisch die Diagnose erleichtern: Oft berichten die Patientinnen über das Sistieren ihrer Beschwerden während der Schwangerschaft, wie dies zum Beispiel bei der Migräne nicht selten der Fall ist. Andererseits gibt es anekdotenhaft, aber deshalb nicht minder aussagekräftig, wiederholt den Hinweis von Frauen, daß ihr Haar bzw. ihre Haut nie so schön waren wie während der Gravidität. Diese Aussagen bestätigen die Wichtigkeit der hormonellen Konstellation und können bereits, beinahe ohne weitere labormedizinische Untersuchungen den Hinweis auf eine effiziente Therapie geben.

Dies sind nur einige Beispiele für die Hilfen, die die Anamneseerhebung dem praktizierenden Arzt an die Hand gibt.

Labordiagnostik des Klimakteriums

Die wichtigsten Parameter

Kostenaspekte spielen in allen Ländern eine zunehmende Rolle bei ärztlichen Maßnahmen. Die Kosten für eine Laboruntersuchung, die der Abklärung des klimakterischen Syndroms dienen, sind mit denen einer Basisschilddrüsenuntersuchung vergleichbar.

Es sind zunächst drei Parameter (FSH, Östradiol, Prolaktin), die eine Diagnostik erleichtern, was an einigen Beispielen illustriert werden soll.

Für die Befundung eines Hormonstatus ist jedoch das Einhalten von gewissen Voraussetzungen notwendig, ohne die eine Hormonuntersuchung wertlos ist, wodurch dann die ganze Prozedur bei vielen Kollegen in Mißkredit gerät.

Es ist wesentlich, zu berücksichtigen, ob eine Patientin Hormone einnimmt oder nicht, da die Resultate unterschiedlich zu bewerten sind. Vor allem muß man bedenken, daß durch jede Hormoneinnahme eine Reihe von »Konjugaten« entstehen, Hormonverbindungen, die biologisch meist inaktiv sind, trotzdem aber im Radio-Immuno-Assay bisweilen mitgemessen werden. Hier können falsche Werte zu falschen Konsequenzen führen. Weiter muß beobachtet werden, daß manche Hormone fluktuieren und somit der Tageszeitpunkt, in dem die Blutuntersuchung erfolgte, von Wichtigkeit ist. Darüber hinaus unterliegen manche Hormone naturgemäß einer mensuellen Zyklizität; auch dies muß bedacht werden.

Im folgenden soll auf Hormonuntersuchungen bei Frauen, die keine Hormonpräparate einnehmen, etwas ausführlicher eingegangen werden.

Follikelstimulierendes Hormon (FSH)

Das follikelstimmulierende Hormon gibt auch Auskunft – und das ist für manche Frauen von großer Bedeutung – ob noch eine Schwangerschaft eintreten kann oder nicht.

Normbereich bis 25mcU/ml. Dieser Parameter eignet sich in vorzüglicher Weise zur Beurteilung der Natur der Beschwerden, die die Patientin angibt. Zur Klärung der Frage, ob eine Frau in den Wechseljahren ist oder nicht, kann diese Hormonbestimmung wertvolle Hinweise geben. Darüber hinaus gibt die Bestimmung des FSH Auskunft darüber – wenn man es gleichzeitig mit dem Östradiolspiegel interpretiert – ob die Beschwerdesymptomatik eher durch einen Progesteronmangel oder durch ein Östradioldefizit induziert ist.

In den letzten Monaten mehren sich die wissenschaftlichen Hinweise, dass durch ein erhöhtes FSH Abbauprozesse am Knochen aber auch im Nervensystem ausgelöst werden könnten, dies muss allerdings noch weiter wissenschaftlich abgeklärt werden.

Östradiol

Normbereich 50-200pg/ml. Im mensuellen Zyklus schwankt der Östradiolspiegel innerhalb dieses Bereiches. Perimenstruell liegt er bei 50pg/ml bzw. etwas darunter, periovulatorisch erreicht er seine höchste Konzentration zwischen 150 und 200pg/ml. Wenn eine Frau, bei der eine Hormonuntersuchung vorgenommen wird, noch über einen Menstruationszyklus verfügt, ist es wichtig zu wissen, in welcher Phase die Östrogenbestimmung erfolgte. Andererseits können – bei allen Schwankungen – auch Einmalwerte die Diagnose erleichtern. Liegt der Östradiolspiegel unter 30pg/ml und hat man diesen Befund möglicherweise durch einen zweiten erhärtet, so signalisiert dies einen Östrogenmangel. Bleibt der Östrogenspiegel über längere Zeit in diesem Bereich, so ist mit einem Knochenkatabolismus und einer Osteoporosegefährdung zu rechnen. Östrogenspiegel über 200pg/ml weisen – vor allem, wenn die entsprechende klinische Symptomatik vorhanden ist – auf eine Östradiolüberproduktion, möglicherweise auch auf monophasische Zyklen hin.

Das Östrogen ist ein stark das Gewebe anregendes Hormon, was mitunter erwünscht ist, ist allerdings die Stimulation zu intensiv, dann kann das dem Organ schaden. Deswegen soll man bei der Östrogenzufuhr oder bei der Östrogenbehandlung das gleiche tun, was bei jeder anderen Hormontherapie üblich ist, nämlich sich um den Hormonspiegel zu kümmern, um ein Überangebot aber auch eine Mangelzufuhr zu vermeiden.

Hormonuntersuchungen sind keine aus dem Computer kommenden Hinweise, die dem Arzt mit absoluter Sicherheit die Diagnose präsentieren. Sie sind immer nur im Zusammenhang mit der Klinik zu interpretieren; im Zweifelsfall können durch eine zweite bzw. dritte Untersuchung die Erstbefunde erhärtet werden. Damit besteht die gleiche Situation wie in der Inneren Medizin, wenn dort die Schilddrüsensituation abgeklärt wird. Hormonuntersuchungen sind – einmal mehr, einmal weniger – wertvolle Mosaiksteine, die nicht immer die endgültige Befundung liefern, wohl aber die Diagnosestellung durch den Mediziner erleichtern.

Beim Östradiol muß noch angemerkt werden, daß es im Unterschied zu anderen Hormonen im Pikogramm-Bereich arbeitet, das heißt in einer Dosierung, die 1000x niedriger ist als die des Gelbkörperhormons, was auf die hohe biologische Kraft der Östrogene hinweist: Selbst bei extrem hoher Verdünnung wirken sie noch äußerst effizient.

Frage aus der Praxis:
Wie hoch ist der physiologische Östradiolspiegel?
Im normalen fertilen Zyklus erreicht periovulatorisch das Östradiol seine höchste Konzentration mit ca. 150-200pg/ml, während der Menstruation fällt es auf ca. 50pg/ml ab. Deswegen liegt der normale Spiegel des Östrogens zwischen 50-200pg/ml.

Prolaktin

Normbereich 5-25 ng/ml. Am späteren Nachmittag und in der Nacht steigt des Prolaktin an, deshalb ist die Abnahme in standardisierter Form zwischen 8 und 12 Uhr morgens anzuraten. Das Prolaktin kann Auskunft darüber geben, ob ein Mikro- bzw. Makroadenom vorliegt, was eine besondere Vorsicht bei der Östrogenapplikation notwendig machen würde. Durch das Östradiol vergrößert sich nicht nur die Hypophyse – wie wir aus der Schwangerschaft wissen – auch Adenome können in ihrem Wachstum beträchtlich angeregt werden. Im Zeitalter der defensiven Medizin muß darauf verwiesen werden.

Darüber hinaus kann die Höhe des Prolaktinspiegels Hinweise auf eine chronische Hyperöstrogenämie geben. In einem solchen Fall ist das Prolaktin – über die bereits erwähnte Stimulierung der laktogenen Zellen – leicht erhöht. Vor allem aber findet man bei der Hypothyreose eine mäßige Hyperprolaktinämie.

Frage aus der Praxis:
Wann ist anamnestisch an ein Prolaktinom zu denken?
Klagt eine Patientin in der Menopause über starke Kopfschmerzen oder über eine Beeinträchtigung des Gesichtsfeldes, so muß vor Beginn einer Ersatztherapie unbedingt die Hyperprolaktinämie bzw. der Hypophysensitus evaluiert werden. Weiterhin kann durch einen Blick auf den Prolaktinspiegel abgeschätzt werden, ob die Patientin Psychopharmaka einnimmt, da er in einem solchen Fall mäßig bis mittelgradig erhöht ist.

Hormonbefunde dürfen immer nur im Zusammenhang mit der klinischen Symptomatik beurteilt werden.
Trotz aller Schwankungen und damit verbundenen Relativität von Hormonuntersuchungen kann dennoch, bei entsprechender Berücksichtigung der klinischen Symptomatik, die therapeutische Empfehlung durch sie abgesichert bzw. optimiert werden.

Vitamin D

Das Vitamin D ist ein Hormon, vergleichbar dem Gelbkörperhormon, dem Schilddrüsenhormon und manchen Hormonen der Nebenniere. Es steuert rund 200 unterschiedliche Gene, welche in das Zellwachstum, in die Regulierung von Blutgefäßen und in die Entsorgung kranker Zellen bzw. Gewebe beteiligt sind. Ähnlich wie bei anderen Hormonen kann es auch beim Vitamin D zu einem Mangel kommen, wobei dieser häufiger ist als bisher angenommen war. Der Vitamin D -Mangel schmerzt nicht, allerdings hat er viele ungünstige Nebenwirkungen, die weit über die Knochengefährdung hinausgehen. Das Vitamin D ist für den Kalziumgehalt des Körpers mitverantwortlich. Deswegen hat es eine hohe Bedeutung für die Prävention der Osteoporose.
Allerdings weiß man seit kurzem, dass auch andere Organe, wie Dickdarm, Brust, Prostata und Gehirn das Vitamin D benötigen und dafür eigene Andockstelle, so genannte Rezeptoren, besitzen. Auch das Immunsystem und die Muskeln benötigen dringend dieses Vitamin. Bei älteren Menschen ist die Gefahr des Fallens sehr groß, die Muskelschwäche hängt mit einem Vitamin-D-Mangel zusammen.

In großen wissenschaftlichen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass bei einem Vitamin D Mangel das Risiko für Brust- und Prostatakarzinom, aber auch für den Dickdarmkrebs steigt. Selbst Erkrankungen, wie Darmentzündungen (Colitis ulcerosa), Diabetes Typ I und auch rheumatoide Arthritis hängen vom Vitamin D ab.
Der Vitamin-D-Mangel ist häufiger als man glaubt. Große Studien zeigten, dass mehr als 50% der postmenopausalen Frauen, welche ein Kalzium- und Vitamin-D-Präparat zu sich nehmen, trotzdem zu wenig Vitamin D im Blut bzw. im Gewebe besitzen.

Aber auch bei jungen Menschen kommt der Vitamin-D-Mangel bereits zum Tragen. Eine amerikanische Untersuchung evaluierte den Vitamin-D-Spiegel bei gesunden Studenten und Ärzten; dabei zeigte sich, dass in 32% ein Vitamin-D-Mangel bestand.

Wie bestimmt man den Vitamin-D-Spiegel?
Das Vitamin D 25 ist am leichtesten im Blut zu bestimmen und gibt uns über Mangelzustände eine gute Auskunft. Die Vorstufen des Vitamin D werden in der Haut gebildet, wenn Sonne auf sie trifft. Aktiviert werden diese Vorstufen in der Leber und in der Niere; in der Leber bildet sich das 25 Vitamin D, das in der Niere in das 1,25 Vitamin D umgewandelt wird. Sinkt der 25 Hydroxy-Vitamin-D-Spiegel unter 30 ng/ml, so kann von einem Vitamin-D-Mangel ausgegangen werden.

Empfehlungen amerikanischer Institutionen gehen dahin, dass bereits Kinder 200 IE Vitamin D zu sich nehmen sollen, Erwachsene ab dem 50. Lj 400 IE und 600 IE für die Lebensphase nach dem 70. Lj. Vor allem für die postmenopausale Frau ist das Vitamin D von großer Bedeutung. Durch die Zufuhr von Vitamin D schützt man nicht nur den Knochen, die Bauchspeicheldrüse und zahlreiche andere Organe, sondern bietet wahrscheinlich auch der Brust eine Vorbeugung gegen bösartige Geschwülste an.

Typische Hormonkonstellationen

Das FSH ist erhöht, das Östradiol erniedrigt – Dies ist die klassische endokrine Situation des Klimakteriums bzw. der Postmenopause (hypergonadotrope Hypoöstrogenämie). Aufgrund der fehlenden Granulosazellen ist das Ovar nicht mehr in der Lage, Östradiol zu synthetisieren; konsekutiv steigt im Rahmen des Feedback-Mechanismus über das Inhibin das Follikelstimulierende Hormon an. Die Patientin ist aufgrund dieses Befundes bereits im Klimakterium. Hat sie dementsprechende Beschwerden, so ist eine Substitutionstherapie angezeigt. Liegen hingegen keine subjektiven Symptome vor, so ist eine Hormonersatzbehandlung nicht unbedingt notwendig. Man wird sich dabei – wie bereits angeführt – an den Risikofaktoren orientieren. Fehlen sie, ist eine Substitutionsbehandlung nicht zwingend notwendig.

Das FSH ist hoch, Östradiol ist ebenfalls hoch (hypergonadotrope Hyperöstrogenämie) – Meist stellt dieser Befund den Beginn des Klimakteriums dar. Durch den Ausfall des Inhibins steigt das Follikelstimulierende Hormon als erstes ovarielles Hormon an, trotzdem bilden die noch verbliebenen Granulosazellen weiter Östradiol. Aufgrund des erhöhten FSH kommt es nur mehr selten zu einer Ovulation, der Befund spricht für eine Hyperöstrogenämie als Folge des Ovulationsdefizites. Im Vordergrund steht bei solchen Befunden der Progesteronmangel, der vor allem dann, wenn die entsprechenden Symptome wie Wasserstau, Gewichtszunahme und Depressionen angegeben werden, mit einem reinen Progesteron effektiv behandelt werden kann.

Das FSH ist normal, das Östradiol ist normal, die Patientin hat aber trotzdem klimakterische Beschwerden – Bei einem normalen Hormonbefund und gleichzeitig vorliegenden klimakterischen Beschwerden ist es sinnvoll, die Schilddrüsenparameter zu evaluieren. Sowohl die Hypothyreose als auch die Hyperthyreose können Klimakterium-ähnliche Beschwerden hervorrufen. Ergeben diese weiterführenden Untersuchungen keinen Hinweis auf eine Erkrankung, so ist die Erklärung für diese Situation höchstwahrscheinlich in der Östradiolfluktuation zu erblicken: Durch einen Abfall des Östrogens können Entzugserscheinungen selbst dann auftreten, wenn die Patientin noch nicht voll im Klimakterium ist. In einem solchen Fall empfiehlt sich eine einschleichende Östrogen-Gestagen-Therapie, die man nach einigen Monaten unterbrechen kann. Treten dann keine Beschwerden auf, ist dies ein Zeichen, daß das Ovar wieder imstande ist, in ausreichendem Maße Östradiol zu synthetisieren.

FSH und Östradiol liegen im Normbereich, das Prolaktin liegt über 25 ng/ml – Anamnestisch müssen zunächst jene Konstellationen ausgeschöpft werden, die für eine Hyperprolaktinämie verantwortlich sein können. Dazu zählt die iatrogene Hyperprolaktinämie, wobei Psychopharmaka die häufigste Ursache für den erhöhten Prolaktinspiegel sind. Viele Patienten sind verwundert, wenn man sie berechtigterweise aufgrund des erhöhten Prolaktinspiegels auf den Psychopharmaka-Konsum anspricht. Vor allem aber ist die Hyperprolaktinämie Hinweis auf eine Hypothyreose: Reaktiv kommt es dabei meist zu einer leichten Erhöhung des Prolaktinspiegels, der ca. bis 50 ng/ml reicht. Die Diagnostik der Schilddrüse, vor allem aber der TRH-Test erweist sich in einem solchen Fall als wichtig. Liegt der Prolaktinspiegel über 50ng/ml, so ist mit dem Vorliegen eines Mikro- bzw. eines Makroadenoms zu rechnen. Die bildgebende Darstellung der Hypophyse mittels Computertomographie oder Kernspintomographie ist vor allem dann angezeigt, wenn die Patientin gleichzeitig über Kopfschmerzen, Sehstörungen und Gesichtsfeldeinschränkungen klagt, bzw. wenn man eine Östradiolsubstitution plant.

Weiterführende Diagnostik

Schilddrüsenuntersuchung

Die Abklärung der Schilddrüsenfunktion erweist sich als notwendig, wenn aufgrund der Beschwerden nicht klar zwischen einer Schilddrüsenerkrankung und dem klimakterischen Syndrom unterschieden werden kann, bzw. wenn anamnestische Hinweise auf Schilddrüsenerkrankungen vorliegen. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn Patientinnen über Hitzewallungen klagen, die nur am Tag auftreten, wenn massive Gewichtsprobleme zu leichten klimakterischen Beschwerden hinzukommen, bzw. wenn ein starker Leistungsabfall und eine Apathie die Symptomatik beherrschen. Aufgrund der Ähnlichkeit zwischen klimakterischen und Schilddrüsenerkrankungs-bedingten Symptomen ergibt sich mitunter die Notwendigkeit, eine Untersuchung des T3, des T4 sowie des TSH vornehmen zu lassen. In manchen dieser Fälle wird man sich nicht nur mit einer Momentaufnahme von T3, T4 und TSH begnügen, sondern – nach Einbeziehung des Internisten – einen TRH-Test durchführen müssen.

Normbereiche
Thyroxin (T4); Erwachsene: 50-140 ng/ml
Triiodthyronin (T3); Erwachsene: 0,8-2,0 ng/ml
TSH-Test: Der basale TSH-Spiegel liegt normalerweise unterhalb von 3 µU/ml.

Unter TRH-Induktion soll der Anstieg des TSH nicht über 20µU/ml erfolgen. Dieser spräche für eine Hypothyreose. Neben dem TSH ist die Bestimmung des gesamten T4 die wichtigste Kenngröße zur primären Beurteilung der Schilddrüsenunterfunktion und für die Therapiekontrolle. Die hyperthyreote Stoffwechsellage hingegen wird durch den unterhalb der Nachweisgrenze liegenden TSH-Spiegel und die Erhöhung des T3-Spiegels gekennzeichnet. Lebererkrankungen, Schwangerschaft, die Einnahme oraler Kontrazeptiva und Substitutionshormone, aber auch eine Reihe anderer Medikamente beeinflussen den TRH-Test und die Schilddrüsenwerte.

Androgene und Sexualhormon-bindendes Globulin

Manche Frauen berichten, daß im Klimakterium Zeichen eines Hirsutismus mehr oder weniger stark ausgeprägt auftreten. In den meisten Fällen ist dies die Folge des normalen physiologischen Prozesses, der in den Wechseljahren zu beobachten ist: Durch das Absinken des Östradiols sinkt gleichzeitig das SHBG ab. Die zumindest in den ersten Jahren nach der Menopause nur leicht reduzierten Androgene werden dadurch biologisch aktiviert und können so den Hirsutismus bedingen. Dies ist auch eine Erklärung für die Sinnhaftigkeit einer gezielten Behandlung mit Antiandrogenen bei manchen Frauen im Klimakterium.

In seltenen Fällen können allerdings auch Androgen-produzierende Tumore des Ovars für androgene Stigmata verantwortlich sein, vor allem dann, wenn sich diese klinisch exzessiv manifestieren. In einem solchen Fall kann der erhöhte Androgenspiegel das erste Verdachtsmoment auf einen Androgen-produzierenden Tumor bieten, was anschließend durch eine Computertomographie, selektive Venenkatheterisierung, Ultraschall und Laparoskopie mit Probeexzision bei erhärteten Verdachtsmomenten weiter abgeklärt werden soll.

Die männlichen Hormone werden auch nach der Menopause im Eierstock weiter gebildet, deswegen sind die Ovarien nicht unnötige Organe. Allerdings kann durch einen Östrogenmangel bei gleichzeitiger weiterer Androgensynthese eine Dysbalance entstehen, die für Behaarungen und unreine Haut in der Postmenopause mitverantwortlich sein können.

In der Menopause kommt es primär zu einem Defizit an Östradiol und an Progesteron. Dies ist die Folge der nicht mehr vorhandenen Granulosazellen. Allerdings bleibt das menopausale Ovar endokrin weiter aktiv. Es produziert in den Interstitialzellen sowie in den Thekazellen C19-Steroide, Androgene. Sie werden einerseits in der Peripherie zu Östrogenen aromatisiert und werden damit den weiblichen Körper weiter mit Östron bzw. Östradiol versorgen. Andererseits haben sie, unabhängig von diesem Aromatisierungsprozeß, biologische Aufgaben im Organismus der Frau wahrzunehmen. So kommt den Androgenen per se ein protektiver Einfluß auf das Skelettsystem zu. Sie festigen das Bindegewebe und formen in typischer Weise die Fettgewebssepten. Vor allem aber haben sie einen hohen Einfluß auf die Psyche und das Kohabitationsverhalten der Menschen. Obwohl man im konkreten Fall vorsichtig sein muß, die nachlassende sexuelle Kraft in zu einfacher Weise mit einem Absinken der Hormone in Verbindung zu bringen, weiß man, daß die Präsenz von Androgenen für die sexuelle Vorstellung, Phantasie und Freude eine Conditio sine qua non ist.

Auch für die Brust haben die männlichen Hormone eine Bedeutung. In der Hormongruppe der Androgene (= männliche Hormone) gibt es zwei verschiedene Gruppen, solche die in Östrogene weiter umgewandelt werden können und die die Androgene bleiben. Diese hemmen die Wirkung der Östrogene und verhindern damit deren Effekt auf die Brust. Im Brustgewebe selbst ist der Körper fähig, männliche Hormone zu sythethisieren, die einen Schutzeffekt für die Frau entfalten. Es wird zunehmend interessant zu überprüfen, ob der weibliche Organismus fähig ist, jene männlichen Hormone selbst herzustellen (und zwar in der Brust), die eine zu starke Wirkung der Östrogene verhindern.

Frage aus der Praxis:
Warum treten bei Frauen viel häufiger Zeichen einer Bindegewebsschwäche sowie die sogenannte Cellulite auf als bei Männern?
Bei Männern ist Cellulite unbekannt. Wird ein Mann jedoch orchiektomiert, so manifestiert sie sich oft in der Folge. Da die männlichen Hormone das Logensystem des subkutanen Fettgewebes anders als bei der Frau formieren, neigen Angehörige des männlichen Geschlechts weniger stark zur Cellulite beziehungsweise zu einer Schlaffheit des subkutanen Fettgewebes.

Kohabitations- und Sexualprobleme sind oft Folgen eines Sexualhormonmangels.

Die statistische und klinische Korrelation zwischen Koitusfrequenz und Testosteron ist wiederholt erwiesen und ausgeprägter als die zum Östradiol. Manchmal kommen Frauen in die Sprechstunde, die glaubhaft berichten, daß sie über Jahrzehnte eine äußerst glückliche Ehe führen, an der sich auch in der Postmenopause nichts geändert habe. Trotzdem merken sie deutlich, daß sie förmlich eine Aversion gegen jede körperliche Form der Liebe mit ihrem Mann, den sie weiter gern haben, empfinden. Tritt dies in der Postmenopause auf und kann ein partnerschaftliches Problem ausgeschlossen werden, so ist der Verdacht eines Androgenmangels legitim. Da in zunehmendem Maße über die Notwendigkeit einer Androgensubstitution diskutiert wird, soll auch auf die Möglichkeit einer Androgenbestimmung hingewiesen werden. Obwohl beim Testosteron mit einer Interkonversion aus adrenalen Hormonen zu rechnen ist, stellt dieser Parameter dennoch einen guten Indikator für die ovarielle Androgenese dar. Werte unter 0,2ng/ml können – bei Vorliegen der entsprechenden Symptome – Anlaß zur Androgensubstitution geben.

Frage aus der Praxis:
Wenn die männlichen Hormone für den Organismus der Frau so wichtig sind, warum wird dann das Antiandrogen Cyproteronacetat im Klimakterium eingesetzt?
Zweifellos spielen die männlichen Hormone für die postmenopausale Frau eine große Rolle. Allerdings kann es durch das Fehlen des Östradiols, durch das Absinken des SH-BG und durch die Weiterproduktion ovarieller Androgene bei manchen Frauen zu einer partiellen Hyperandrogenämie kommen, die für Hirsutismus und andere androgene Stigmata verantwortlich ist. In solchen Fällen ist der Einsatz von Antiandrogen sinnvoll. Diese Wirkstoffgruppe ermöglicht damit auch, eine individuelle Therapie vorzunehmen und sich den Bedürfnissen der entsprechenden Patientin anzupassen.

Die Berücksichtigung der Androgene liegt auf der Hand, handelt es sich dabei doch um die dritte Steroidklasse des Eierstocks, die im Rahmen der Substitutionstherapie bislang unberücksichtigt blieb. Historisch gesehen begann die Hormonsubstitutionstherapie mit der Zufuhr der Östrogene, wodurch ein Teil der klimakterischen Beschwerden mit hoher Effizienz beseitigt wurde. Nach Jahren hat man die Wichtigkeit des Gelbkörperhormons erkannt. Die männlichen Hormone, ebenfalls Produkte des Ovars, hat man in diese Strategie jedoch nicht involviert. Heute versteht man, daß auch den männlichen Hormonen eine unabhängige biologische Wirkung zukommt, die entsprechend der Östrogen-Gestagen-Therapie eine gezielte Substitution sinnvoll erscheinen läßt.

Diagnostik der Konzeptionsbereitschaft

Wegen der primären Diagnostik des Klimakteriums ist für viele Frauen die Frage nach einer möglichen Schwangerschaft von großer Bedeutung. Die Antwort darauf ist bis zu einem gewissen Grad problematisch, da in wenigen Fällen eine hypergonadotrope Situation wieder normogonadotrop werden kann, so daß dies – auch wenn extrem unwahrscheinlich – letzten Endes zu einer Schwangerschaft führen kann. Daher geht man mit der Beurteilung der oben erwähnten Hormonbefunde strenger um und bezieht unter Umständen auch das Progesteron mit ein.

Eine Hilfe in der Beantwortung dieser Frage bietet in begrenztem Ausmaß die Bestimmung des FSH, des Östradiols sowie des Progesterons. Liegt der Serumspiegel des FSH über 40mU/ml und läßt sich, sofern dies bei oligomenorrhöischen Zyklen möglich ist, prämenstruell durch eine Progesteronbestimmung eine möglicherweise stattgefundene Ovulation ausschließen, so deutet dies auf die bereits stattgefundene Umstellung des Organismus in Richtung Klimakterium hin. Da allerdings gerade im Übergang von der Prä- zur Perimenopause das FSH Schwankungen unterworfen sein kann – so kann z.B. einige Wochen nach bereits erhöhtem FSH die Patientin für kurze Zeit wieder einen normalen Wert aufweisen –, empfiehlt sich, will man über die Konzeptionsmöglichkeit eine Aussage machen, eine zweimalige FSH- bzw. Progesteronbestimmung im Abstand von zwei bis drei Monaten. In seltenen Fällen kommt es trotz hohem FSH noch zu einer Ovulation, weshalb die Progesteronbestimmung eine sinnvolle Ergänzung der Aussagekraft des FSH wäre. Liegt das FSH in zwei Untersuchungen über 40 mU/ml und fand in beiden Zyklen keine Ovulation mehr statt, so ist mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Schwangerschaft pro futura auszuschließen, vor allem, wenn gleichzeitig eine Oligomenorrhoe vorhanden ist.

Gleichzeitig deuten diese Befunde natürlich auf ein bereits beginnendes Klimakterium hin. Obwohl der Eintritt einer Schwangerschaft in der Perimenopause bei hohem FSH-Wert unwahrscheinlich ist, kann diese erst ausgeschlossen werden, wenn zusätzlich zur Hypergonadotropinämie eine Amenorrhoe von einem halben Jahr besteht. Ein weiterer verläßlicher endokriner Parameter ist die Messung des Östradiols, die allerdings mehrmals pro Zyklus erfolgen müßte. Ist der Spiegel dieses wichtigsten natürlichen Östrogens konstant unter einem Wert von 25 pg/ml, so kann man davon ausgehen, daß die Ovarialfunktion erloschen ist.

Hormonbestimmung zur Therapiekontrolle (Hormonmonitoring) unter Substitution

Besonderheiten unter Hormontherapie

Durch eine Hormoneinnahme ändert sich die Beurteilung des Hormonstatus grundlegend. Einerseits nehmen die Östrogenkonjugate zu und können damit das Untersuchungsergebnis verfälschen, andererseits schwankt der Östrogenspiegel in Abhängigkeit von der Einnahme des Hormonpräparates. Darüber hinaus wird nicht jedes Präparat in jene Form des Östradiol umgewandelt, das durch den Radio-Immuno-Assay angezeigt wird. Entsprechend dieser Bedenken gibt es folgende Punkte zu beachten:
Es sind nur jene Radioimmuno-Assays einsetzbar, von denen man weiß, daß sie das Östradiol und nicht die Konjugate anzeigen. Anderenfalls müßte der Bestimmung eine Hydrolyse der Konjugate vorgeschaltet werden.

Bei der Blutabnahme ist unbedingt das Stundenintervall, das die Differenz zur letzten Hormoneinnahme angibt, zu registrieren.
Bei der Beurteilung des Hormonbefundes muß bekannt sein, welches Präparat eingenommen wurde. Mikronisiertes Östradiol und Östradiolester werden als Östradiol freigesetzt und können direkt gemessen werden. Bei den konjugierten Östrogenen werden ca. 10% biologisch aktiven Östrogens mit der Östradiol-Messung nicht mitregistriert. Bei Verwendung von Östriol ist eine Bestimmung des Östradiols sinnlos, da eine Rückumwandlung nicht stattfindet.

Trotz der Hydrolyse bzw. eines äußerst verläßlichen Radio-Immuno-Assays wird bei der oralen Einnahme noch ein kleiner Teil des konjugierten Östradiols mitangezeigt. Dies ist bei der transdermalen Applikationsform nicht oder zumindest in vermindertem Maße der Fall. Auch dies gilt es zu berücksichtigen und erklärt, warum unter der transdermalen Applikation stets niedrigere Östrogenwerte als nach der oralen Einnahme anzutreffen sind.
Zum Monitoring einer Östrogensubstitution ist in erster Linie die Bestimmung des Östradiols sinnvoll. Die Bestimmung muß allerdings die oben genannten Kriterien erfüllen.

Sinnhaftigkeit des Östradiol-Monitorings

Auch bei der Bestimmung der Östradiol-Konzentration unter einer Substitutionstherapie gilt das bereits erwähnte Postulat: Die Befindlichkeit der Patientin ist der beste »Hormonparameter«. Klagt die Patientin allerdings unter einer Therapie weiter über Beschwerden bzw. treten sogar neue hinzu, so sind zwei Möglichkeiten des Prozedere offen:

  • Man kann aufgrund des klinischen Blickes und aufgrund seiner Erfahrung die Hormondosis bzw. die Hormonapplikation ändern.
  • Unter Zuhilfenahme des Östradiolspiegels kann man abklären, ob eine Östrogenüberdosierung vorliegt oder ob die Patientin das angebotene Östrogen nicht ausreichend resorbiert.

Die beste Hormonuntersuchung ist die Befindlichkeit. Geht es einer Patientin unter einer Hormonersatztherapie gut, so kann man im Großen und Ganzen davon ausgehen, dass sie gut eingestellt ist. Klagt sie allerdings über Beschwerden – trotz der Hormone – dann können Hormonbestimmungen helfen das Wohlbefinden der Frau zu verbessern und die Hormoneinstellung besser vornehmen zu können.

Überdosierung – Unterdosierung

Die Beurteilung der klinischen Befindlichkeit allein ist in manchen Fällen nicht ausreichend, da sowohl bei der Überdosierung als auch bei der Unterdosierung die gleichen Symptome auftreten können. Supraphysiologische Östradioldosen führen zu einer Down-Regulierung der Steroidrezeptoren, ein Mechanismus, der von anderen Hormonen längst bekannt ist und berücksichtigt wird. Beim Östradiol gibt es in umgekehrter Weise auch eine Up-Regulation: Durch das langsam ansteigende Östradiol ist ab einer Konzentration von 150pg/ml mit einer raschen Ausschüttung des Luteinisierenden Hormons zu rechnen.

Die Down-Regulierung hat man sich auch bei der Behandlung von hormonabhängigen Tumoren mit hohen Östrogenmengen zunutze gemacht, ein Vorgehen, das ansonsten schwer verständlich wäre. So können Hitzewallungen, Depressionen, aber auch Zeichen hoher Nervosität bei Frauen mit supraphysiologischem Östrogenspiegel gefunden werden. Würde man in der Meinung, hier handle es sich um Östrogenmangelerscheinungen, der Frau höhere Östrogendosen zuführen, so würde die Symptomatik um vieles schlechter. Ein ähnliches Phänomen beobachtet man nicht selten bei der parenteralen Verabreichung von Östrogenen, durch die supraphysiologische Hormonspiegel aufgebaut werden können. Hier kann ein Östrogenabfall von einem hohen Niveau wieder das Auftreten von Beschwerden auslösen, so daß man ohne Kenntnis der vorliegenden Hormonspiegel geneigt wäre, das Behandlungsintervall zu verkürzen und die Patientin immer höheren Hormonspiegeln ausgesetzt wäre. Die Bestimmung des Östradiols gibt dabei hilfreiche Informationen.

Andererseits kann eine zu geringe Resorption eines standardisierten Östrogenpräparates durch die Evaluierung des Östradiolspiegels dokumentiert werden. In solchen Fällen liegt der Östrogenspiegel meist weit unter 50 pg/ml, eine Beobachtung, die auch in Hinblick auf die Osteoporoseprophylaxe von Wichtigkeit ist.

Zeitpunkt der Hormonbestimmung

Um die Höhe des Östrogenspiegels richtig beurteilen zu können, muß der Zeitpunkt der Hormoneinnahme berücksichtigt werden. Bekanntlich tritt die maximale Serum-Östradiol-Konzentration zwei bis fünf Stunden nach der oralen Einnahme eines Östrogenpräparates auf. Übersteigt in diesem Zeitraum der Östrogenwert 200pg/ml, so kann – bei entsprechenden klinischen Symptomen – von einer Überdosierung ausgegangen werden. Liegt allerdings zu diesem Zeitpunkt der Östradiol- Wert des Blutes unter 50pg/ml, so diagnostiziert man eine insuffiziente Resorption. Bei einem 24-Stunden-Serum-Östradiol-Wert wird er annähernd bei 0 liegen. Dies führt bei vielen Frauen vor allem in den Nachtstunden zu erneutem Auftreten von Wallungen.

Eine Reihe von Enzymen, die im sogenannten P450-Komplex konzentriert sind, beeinflussen den Abbau endogener, aber auch exogen applizierter Steroide. Diese Metabolisierungsmaschinerie ist, wie jedes andere phänotypische Merkmal, dem genetischen Polymorphismus unterworfen. Das heißt, sie variiert von Mensch zu Mensch. Während man einerseits ungefähr voraussagen kann, wie sich eine Standarddosierung im Organismus eines Großteils der Bevölkerung verhält, muss man auf der anderen Seite berücksichtigen, daß es bei einzelnen Frauen völlig unterschiedliche Abbaumuster gibt. Bei ein und derselben Standarddosierung werden verschiedene Serumspiegel und damit letzten Endes auch verschiedene biologische Wirkungen erzeugt. Dies erklärt, warum eine Frau ein Präparat hervorragend verträgt, während eine andere hingegen mit Nebenwirkungen reagiert. Ähnliches gilt auch für die Pille.

Die Polymorphismusbestimmung ist momentan noch in wissenschaftlicher Untersuchung, allerdings scheint es ein sehr kraftvolles Instrument zu werden, die individuelle Medizin in die Tat umzusetzen. Nicht nur die unterschiedliche Verträglichkeit von gleichen Medikamenten, nicht nur der individuell sehr differenzierte Bedarf unterschiedlicher Wirkstoffdosen, sondern auch die individuelle Anfälligkeit für Nebenwirkungen oder Probleme ist durch die kleinen genetischen Unterschiede mitbewirkt. In den nächsten Jahren wird man auf diesem Gebiet viele neue Resultate erwarten können, die eine Verbesserung auch der Hormonersatztherapie ermöglichen werden.

Neben dem genetischen Polymorphismus haben auch andere Faktoren einen Einfluß auf den Abbau exogen zugeführter Steroide: Vom Progesteron bzw. von manchen Progestagenen weiß man, daß sie den Abbau des Östradiol-Moleküls beschleunigen. Dies erklärt, warum manche Frauen unter der Substitutionstherapie während der Gestagenphase das erneute Auftreten der schon überwunden geglaubten klimakterischen Symptome beklagen. Das Progestagen verstärkt den Abbau des gleichzeitig aufgenommenen Östrogens und bewirkt dadurch eine relative Insuffizienz. Nimmt die Patientin das Östrogen alleine zu sich, so ist der Metabolismus verlangsamt, der endogene Östrogenspiegel reicht aus, um die Beschwerden zu eliminieren. Auch körperliche Aktivität, Fieber, Umwelttemperatur, ja sogar manche Nahrungsmittel scheinen einen Einfluß auf den Östrogenabbau zu haben. Dies bestätigt nur, daß es in der individuellen Situation notwendig und nützlich sein kann, den Serum-Östradiolspiegel zu kennen. Eine zu rasche Metabolisierung des zugeführten Hormons kann einen insuffizienten Serumwirkungsspiegel erzeugen und damit für eine unzureichende biologische Aktivität verantwortlich sein. Auf der anderen Seite führen auch supraphysiologische Östrogenspiegel zu Nebenerscheinungen, die von der betroffenen Patientin als äußerst unangenehm empfunden werden. Aus beiden Gründen kann es demnach in der individuellen Situation wertvoll sein, den Östrogenspiegel zu kennen.

Östrogendosis und Proliferationsdruck

Unabhängig davon bahnt sich in der wissenschaftlichen Diskussion ein weiterer Grund an, der ein Monitoring des Östrogenspiegels sinnvoll macht. Nicht nur wegen der Nebenwirkungen, sondern auch wegen des Proliferationsdrucks, den Sexualsteroide erzeugen, wird vor allem im angelsächsischen Bereich immer mehr verlangt, daß der Östrogenspiegel dem physiologischen Bereich entsprechen solle. Obwohl es nach derzeitigem Wissen unwahrscheinlich ist, daß das Östradiol für die Entstehung des Brustkrebses verantwortlich ist, wird doch immer mehr die Meinung vertreten, daß durch die erhöhte steroidbedingte Mitoserate der Ausbruch einer schon vorhandenen neoplastischen Anlage beschleunigt werden kann.

Aus diesem Grund, aber auch wegen der möglichen, vorhin bereits besprochenen Down-Regulierung auf Rezeptorebene, empfiehlt man im amerikanischen Raum in zunehmendem Maße, den Östrogenspiegel im sogenannten »physiologischen Bereich« zu halten. Die Realisierung einer »vorsichtigen Substitutionsstrategie« macht nach Meinung vieler wissenschaftlicher Autoren einen niedrigen Steroidspiegel notwendig. Dies ist – trotz aller in diesem Zusammenhang noch offenen Fragen – ein weiterer Grund dafür, sich um den endogenen Östrogenspiegel zu kümmern und ein Monitoring vorzunehmen.

Compliance-Förderung

Ein weiterer nicht zu unterschätzender Grund, den Wirkstoffspiegel zu überprüfen, liegt an der Patientin selbst. Ein Teil der Patientinnen bringt nach wie vor einer Substitutionstherapie eine große Skepsis entgegen, weil sie sich einem Hormon ausgeliefert sehen, dessen Konzentration sie nicht überwachen können. Ein Monitoring kommt dieser subjektiv sicher nicht ganz unberechtigten Sorge entgegen und kann damit zweifellos die Compliance erheblich verbessern.